Carolin Würfel c/o FAZ am Sonntag!

1 Dec

Thomas Höpker: «Heartland»
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In der aktuellen Ausgabe der FAZ am Sonntag (30. November 2014) wird deutlich, daß Sie unter der Überschrift «Viele Bilder und ein Zerrbild» der Versuchung, diese als Sondermülldeponie für Ihre ganz persönlichen Geistesprodukte zu mißbrauchen, nicht haben widerstehen können. Das ist bedauerlich, weil Sie mit dieser Vorgehensweise beileibe keinen Einzelfall darstellen und somit diese Unart hartnäckig dazu beitragen wird, dem sogenannten «Qualitätsjournalismus» weiterführend und in aller Nachhaltigkeit den Rest zu geben.

Zunächst wird transparent, daß Sie nicht einmal die einfachsten Grundregeln der ohnehin nicht soo sonderlich komplizierten Mengenlehre beherrschen. Merke: Nur weil auch Nazis, die nach dem Krieg unbeschadet den Entnazifizierungsprozeß durchlaufen haben und sich morgens zum Frühstück – das ist nur ein Beispiel – ein Glas Orangensaft genehmigen, heißt das noch lange nicht, daß jeder und jede, der oder die sich morgens irgendwo auf der Welt ebenfalls ein Glas Orangensaft zum Frühstück einschenkt, automatisch als Nazi oder Neo-Nazi einzustufen ist. Auch besteht für diese weltweit angesiedelten Orangensaftkonsumenten – wir sind immer noch im Beispielverfahren – in keiner Weise die Pflicht, bei jedem Schluck Orangensaft die ebenfalls mit am Tisch sitzenden Personen darauf aufmerksam zu machen, daß es nicht restlos auszuschließen sei, daß sich unter ihnen Nazis oder Neo-Nazis befinden könnten, die – Oh Gott, oh Graus – ebenfalls zum Frühstück Orangensaft trinken – und deshalb der Konsum von Orangensaft grundsätzlich zu hinterfragen sei.

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Jedem funktionstüchtigen Geist dürfte klar sein, daß das alles Schwachsinn ist, doch Sie begründen die Notwendigkeit eines solchen argumentativen Verhaltens wortwörtlich mit: «Allein aus (Selbst)schutz vor möglichen Angriffen». Quoi?

Sind wir mit unserem Beispiel durch? Leider nein, denn schließlich wird auch nicht, wir müssen das leider in aller epischer Breite durchkauen, aus jemandem, der mal in der Nachkriegszeit mit einem entnazifizierten Nazi zusammen an ein und demselben Tisch saß und beide gemeinsam Orangensaft tranken ebenfalls ein Nazi, noch wäre es legitim, ihn allein durch diesen Umstand auch nur zwischen den Zeilen in diese Nähe zu rücken. Doch genau das, Carolin Würfel, genau das tun Sie. Die Frage ist nur: «Warum?»

Ihr Vorwurf in realiter lautet: «Horst Mahnke war Nazi, Chefredakteur bei Springer und Spitzel des BND. Weniger bekannt ist, daß er auch Fotografen wie Thomas Hoepker intrumentalisierte». Aha. Und das soll jetzt die Schuld Thomas Höpkers sein, weil davon nichts in seinem hervorragenden Bildband «Heartland» steht? Die darin abgebildeten Aufnahmen entstanden 1963 als Auftragsarbeit für die Illustrierte «Kristall», dessen damaliger Chefredakteur Horst Mahnke war. Er bat den damals 27-jährigen Höpker zusammen mit seiner Frau Eva Windmöller, quer durch die Vereinigten Staaten zu reisen und darüber zu berichten. In Ihrer grenzenlosen und darob überaus eitelen Selbstgefälligkeit schreiben Sie: «Man mag ihm, dem alten Herrn Hoepker, der ‹sein› Amerika ja immer so bedingungslos geliebt hat, vielleicht sogar glauben, dass er damals nichts von Mahnkes Vergangenheit wusste, oder wie so viele, nichts wissen wollte, weil es ja vorwärts gehen sollte. Aber man ist doch schwer verwundert über die Naivität, mit der Hoepker 2013 einen Bildband publiziert mit Fotos, die unter Horst Mahnke entstanden sind und es nicht in Erwägung zieht, auch nur in einer Fußnote auf die Rahmenbedingungen zu verweisen.» And here it comes: «Allein aus Schutz vor möglichen Angriffen».

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Man mag Ihnen, der grünschnäbeligen und viel zu unerfahrenen Frau Würfel, die ihr eigenes beschränktes Auffassungsvermögen ja immer so bedingungslos liebt, vielleicht sogar glauben, daß Sie damals nichts von der Möglichkeit, sich an von der öffentlichen Hand bezahlten Bildungs- und Fortbildungsinstituten (Kindergarten, Schule, Hochschule, Universität, VHS-Benimmkurse) das nötige Rüstzeug für das spätere Leben zuzulegen, wußten, oder wie so viele, nichts wissen wollten, weil es ja vorwärts gehen sollte mit der Etablierung des eigenen geistigen Notstandes als ultimatives Maß aller Dinge. Aber frau ist doch schwer verwundert über die mangelnde Erziehung, mit der Sie einem verdienten und honorigen Thomas Höpker begegnen und es nicht mal ansatzweise in Erwägung ziehen, auch nur in einer Fußnote auf die Rahmenbedingungen für eine unterbezahlte Möchtegernjournalistin zu verweisen. Allein schon aus Schutz vor möglichen Angriffen.

Thomas Höpker, der das mit Ihnen geführte Telefonat möglicherweise als unheimliche Begegnung der dritten Art empfunden haben mag, schrieb Ihnen deshalb kurz nach Beendigung noch eine Mail, aus der Sie wie folgt zitieren: «Man kann natürlich darüber diskutieren, ob Hans-Michael Koetzle in seinem Vorwort zum ‹Heartland›-Buch die braune Vergangenheit Mahnkes hätte erwähnen sollen. Ich selbst halte das nicht für relevant in diesem Zusammenhang und mein Klassenlehrer hätte das sicher in roter Tinte als ‹Thema verfehlt› moniert.» Um es vorwegzunehmen: Wir halten das, siehe eingangs dargelegtes Orangensaft-Gleichnis, auch nicht für relevant. Insbesondere nicht, wenn die unberechtigte Kritik von einer Person kommt, deren Vita nicht erkennen läßt, daß sie jemals irgend etwas Hervorhebenswertes geleistet hätte; oder in anderen Worten: deren persönliche Lebensleistung verglichen mit der eines Thomas Höpkers schlicht gegen null strebt – womit Sie allein schon aus diesem Grunde nicht qualifiziert sind, ihn in zu kritisieren.

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Abschließend ein paar Hinweise:

a): Thomas Höpkers Nachname weist in seiner Originalschreibweise einen entsprechenden Umlaut auf.

b): Die hier abgebildeten Aufnahmen (außer Buchcover) sind nicht von Thomas Höpker sondern von Diane Arbus, und zwar auch aus der Zeit der frühen 1960er Jahre in den Vereinigten Staaten. Somit stellen die Aufnahmen Thomas Höpkers auch mitnichten ein «Zerrbild» dar, wie Sie naßforsch behaupten, sondern spiegeln ebenso wie die von Diane Arbus das damalige Erscheinungsbild der Gesellschaft in den USA wider. Was man u.a. von Höpkers Bildern beispielsweise lernen kann, so frau es denn tatsächlich interessiert, ist der unglaubliche Blutzoll, den auch die amerikanische Bevölkerung entrichten mußte, um Nazi-Deutschland in die Knie zu zwingen. Mit Anti-Amerikanismus hat das nun wirklich nichts zu tun.

c): Die Tatsache, daß auch Sie Thomas Höpkers Bilder für Ihr seltsames Geschreibsel gnadenlos instrumentalisieren, so wie Sie meinen, daß es auch ein Horst Mahnke getan hat, macht Sie, auch zwischen den Zeilen, noch lange nicht zu einem Nazi, obwohl es Kraft Ihrer eigenen Definition eigentlich so sein müßte.

d): Legen Sie dem Herausgeber-Gremium der FAZ diesen Beitrag vor – bevor wir es tun.

Und nun: Husch, husch ins Körbchen.

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Seniles Thema. Deshalb keine Kommentarmöglichkeit.
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