Archive | January, 2008

TV TEST CARD #4 : Music Montage

26 Jan

Virales Marketing – Was ist das?

3 Jan

Zunächst ist virales Marketing nichts anderes als Mundzumundpropaganda. Ein Vorkommnis, ein Ereignis, sprich: eine Geschichte ist so interessant, daß sie vom Empfänger als weitererzählungswürdig erachtet wird. Erzählt der Empfänger eben diese Geschichte weiter, so wird der Empfänger zum Sender. Geschieht dies, so spricht man von einer Geschichte mit Viralpotential:

(Fernöstliche Baumumarmung)

Und noch ein erfolgreiches Beispiel, diesmal – und selten genug – aus deutschen Landen:

(Andere Länder, andere Sitten)

Beide vorstehend verlinkten Geschichten verbreiteten sich innerhalb weniger Wochen millionenfach durchs Netz, so auch das nachfolgende Beispiel aus der relativ kurzen Geschichte des viralen Marketings:

(Gelungene Lachsakquisemaßnahme)

Das Prinzip der Mundzumundpropaganda ist nicht neu (Gerüchteküche an der Börse, sog. moderne Märchen, Treppenhaustratsch, schlechte Zahnärzte, etc. …); was jedoch neu ist – und unsere Kommunikationsgesellschaft revolutioniert –, ist der Umstand, daß dank neuer und global hinreichend akzeptierter und genutzter Kommunikationstools der Generation Web 2.0 (Youtube, myspace, flickr, Weblogs) faktisch jeder, der über einen Rechner und Netzzugang verfügt, seine Geschichten verbreiten kann.

(Die Kunst des Krieges – eines der ersten Virals überhaupt)

Die globale Demokratisierung der Kommunikation in Schrift und Bild ist für die Entscheidungsträger traditioneller Kommunikationstools mit dramatischen Konsequenzen verbunden. So lautet der Slogan von Youtube nicht von ungefähr: Broadcast yourself – Sende Dich selbst! Früher mußte man zu einem Fernsehsender gehen, oder sich mit einer Hörfunkstation, oder – im Printbereich – mit einem Verlag in Verbindung setzen, um veröffentlichen zu können. Heute kann jeder, der über Bild-, Video- oder Audiobearbeitungsmöglichkeiten verfügt, veröffentlichen, und zwar ohne den Umweg über die zuvor genannten Instanzen zu gehen.

Aber nicht jede Botschaft, nicht jede Geschichte ist viral. Erzähle ich beispielsweise, daß ich der Lesung eines unbegnadeten Literaturpreisträgers beigewohnt habe, so interessiert das verständlicherweise niemanden. Berichte ich jedoch, daß sich der Schriftsteller während seiner Lesung unter dramatischen Umständen mit einer Rasierklinge die Stirn aufschnitt, sich das Blut seinen Weg über ebenselbige bahnte und es sich tropfenweise auf seinen Lesebuchleseseiten gemütlich machte – aus welchen Gründen auch immer – so finde ich bei meinen Zuhörern schon eher Gehör. Die Rasierklingengeschichte ist wahr und verbreitete sich ohne Web 2.0 höchst viral über herkömmliche Medien. Das evoziert die Frage:

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Was ist viral?

Viral ist lebendig, agil und hoch infektiös. Virals sind die kraftvolle Zwischenmahlzeit für den Geist, die mit ihren polarisierenden Aromen für den Hauch eines Momentes die Konsumenten vom tristen Alltagsdasein ablenken. Virals sind beliebt, weil sie so erfrischend anders sind; allerdings nur, wenn sie erfrischend anders sind. Die erfolgreichsten Virals nehmen keinerlei Rücksicht auf bestehende Konventionen und schon gar nicht auf die sog. political correctness:

(Werbeverkaufssendung für die AK47)

(Über die fachgerechte Entsorgung eines toten Wals)

Virals überzeugen durch ein hohes Maß an Authentizität und/oder Originalität, und erwecken nicht selten den Eindruck handgemacht zu sein:

(Ein früher Youtube-Klassiker,
derzeit
16.204.844 Zugriffe)

Allerdings können auch Ausschnitte aus realen Nachrichtensendungen viral sein, wenn sie einen entsprechenden Unterhaltungswert mitbringen:

(Pierce Bush in 2004)

Auch die Geschichte, die der ehemalige Titanic-Chefredakteur Martin Sonneborn in seinem Buch “Ich tat es für mein Land” beschreibt, ist höchst viral. Zudem bescherte sie unserem angeschlagenen Wohlbefinden ganz genau das, was die Macher der “Du-bist-Deutschland” Kampagne vergeblich versuchten herbeizuführen: eine angenehme Steigerung unseres Wirtschaftswachstums; was allerdings weniger mit der Viralität der Story zu tun hatte, sondern mehr damit zusammenhing, daß Martin Sonneborn die FIFA Fußballweltmeisterschaft 2006 nach Deutschland brachte – und damit jede Menge neue Arbeitsplätze in diesem unserem Lamde installierte! Hier sein Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger.

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Was ist unviral?

Das ist unviral:

(Aygo Cool)

Das soll aber nicht heißen, daß ein Look mit dem Touch des Selbstgemachten bereits der Garant für einen übergeordneten Weiterverbreitungserfolg darstellt:

(Nivea – NICHT von Dialog Solutions)

Nein, unaufgefordert erzählt man sowas nur ungerne freiwillig weiter. Da müssen schon großzügig bemessene Kontingente an Lebensmittelbezugskarten unter der Tischplatte den Besitzer wechseln. Viel interessanter ist doch dieses Viral, das die englische Zigarrenmarke Hamlet bewirbt:

(Hamlet Cigars – Parkhaus)

(Hamlet Cigars 1985)

Hier wird der Gedanke transportiert, daß – ganz im Gegensatz zur “HB-Männchen“-Kommunikation – das Rauchen von Hamlet-Zigarren zwar keine Problemlösung darstellt, aber der jeweils erlittene Schmerz durch Konsum besagter Zigarre erheblich versüßt wird. Ebenfalls verdeutlicht sich das englische Werbeprinzip, welches besagt, daß der Claim, der Slogan immer die Schlußpointe zu bilden hat, an diesem Beispiel recht gut.

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Gute Geschichten?
OK, aber warum genau DIESE und keine andere?

Angenommen, nur mal angenommen, die Firma Google steht vor dem Problem, ihren Aktienkurs in die Höhe treiben zu wollen, jedoch ohne den üblichen Weg über Veröffentlichung guter Umsatzzahlen oder optimistisch stimmender Prognosen gehen zu wollen. Außerdem steht die Überlegung, irgend ein raffiniertes Gerücht an der Wallstreet auszusetzen, im Hause Google nicht hoch im Kurs, weil es dem Unternehmen darüber hinaus um Nachhaltigkeit geht. Somit ist folgender Link die beste Antwort auf den vorstehend genannten Aufgabenkomplex, die man sich nur vorstellen kann:

GoogleZon

Die Geschichte ist auch deshalb so genial erzählt, weil es eine völlig offene und demokratische Kommunikation ist: jeder Viralkonsument erhält exakt die gleichen Informationen. Nur diejenigen, die beispielsweise einen zarten Hang zu Verschwörungstheorien hegen und pflegen, interpretieren die gewonnenen Informationen in besagte Richtung und leiten wie angefixt („Weltverschwörung, Weltverschwörung, Weltverschwörung“) den Link weiter. Der kapitalstarke Investor hingegen schweigt. Er wird sich sagen: „Fein, wenn Google so drauf ist, dann sollte ich mir mal ein hübsches Aktienpaket davon zur Seite legen.“ – und kauft, wie ihm geheißen. Eine wirklich coole Nummer. Jeder entschlüsselt die Botschaft auf seine Weise, jeweils so, wie er die Nachricht gerne verstehen möchte. Ob diese Website tatsächlich von Google in Auftrag gegeben wurde; und ob der Anstieg des Kurses der Google-Aktie innerhalb des letzten Jahres von $ 177,64 um das 2,6 fache auf einen Wert von $ 365,80 (Stand: 25.März 2006) tatsächlich etwas damit zu tun hatte? Wer will das so genau wissen? Das fällt in das Reich purer Spekulation; und genau darum geht in diesem Falle: um die Hege und Pflege des Geheimnisvollen.

Aber ist das vielleicht alles zum Thema Google? Nein, das ist noch längst nicht alles zum Thema Google, denn die Frage muß zwängsläufig lauten: Wer hat Angst vor Google? Nachfolgend die anderthalbstündige Antwort – and all I can say is: Nehmt Euch die Zeit!

via Deutsche

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Nur die Harten kommen in den Garten!

Es gibt unter den Viralproduzenten und Viralkonsumenten ein kleines Spielchen, welches da lautet: Wer polarisiert am besten? Wer konsumiert das Polarisierenste? Denn je polarisierender und standpunktbezogener ein Viral ist, desto größer ist seine Chance, daß man es weiterleitet. Nur darum geht es. Über Erfolg und Mißerfolg einer viralen Kampagne entscheidet ausschließlich der Empfänger, der Konsument der Botschaft – und sonst nichts und niemand:

VW – Palestinian

Deshalb gilt: Je glattbebügelter, je marketingstrategiebezogener, je „kundenorientierter“, desto sinnloser ist das virale Unterfangen. Der vorstehend verlinkte Film erzählt aber noch eine ganz andere Geschichte, nämlich, die, daß die gesamte Produktion angeblich nie von VW in Auftrag gegeben worden sein soll; und daß VW die Urheber des Films ermitteln lassen wolle, um Strafanzeige zu stellen. Sehr schön. Merkwürdig nur, daß die Produktion mit viel zu viel Aufwand realisiert wurde: 35mm, mit Make-up-Artist, Set-Stylisten und allem was sonst noch dazugehört. Und: VW drohte mit der Einleitung besagter Strafmaßnahmen vor über zwei Jahren. Und noch heute erfreut sich der Spot – im übertragenen Sinne – höchster Gesundheit, denn er steht, wie wir gerade gesehen haben, immer noch frei einsehbar auf dem Webportal Boreme.com.

Eine ähnlich gelagerte Geschichte erzählte uns die amerikanische Automobilfirma Ford mit ihrem Katzen-Werbeviral für das SportKa Modell; nur wesentlich charmanter und glaubwürdiger, denn angeblich sei nachfolgend verlinkter Film tatsächlich im Auftrag von Ford produziert, jedoch nach nochmaligen Überdenkens nicht für die Öffentlichkeit freigeben worden. Selbstverständlich verkündete Ford ebenfalls, diejenigen, die diesen Film in die Außenwelt geschleust haben, fassen und ihrer gerechten Strafe zuführen zu lassen. Dieses Gerücht funktionierte eine Weile ganz gut, doch seit längerem ist bekannt, daß da nichts dran ist, denn andernfalls dürften sich die Urheber des nachfolgenden Films mit Sicherheit nicht offiziell auf ihrer Website damit brüsten, ihn sich ausgedacht und hergestellt zu haben. Hier nun besagtes Wahnsinnswerk:

(Ford SportKa – Werbeviral)

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Über welche Kanäle verbreiten sich Virals?

Es gibt verschiedene Wege, über die sich Virals verbreiten. Fangen wir mit den beinahe schon klassischen Viralportalen an. Ursprünglich von Hobbyisten, die hauptberuflich meistens in der IT-Branche als Systemadministrator oder in einer vergleichbaren Position tätig sind, aus Spaß an der Freude ins Netz gestellt, werden diese Portale beispielsweise in Deutschland mittlerweile mehrheitlich über die Hamburger Agentur Dialog Solutions zentral vermarktet. Laut Selbstauskunft der Agentur bietet sie u.a. das sogenannte Rundumsorglospaket an, das die Plazierung eines neuen Virals auf 20 Viralportalen als Webclip der Woche beinhaltet. Darüber hinaus werden die Virals individuell codiert, somit wäre die genaue Anzahl der Filmsichtungen präzise zu ermitteln, selbst wenn die Dateien auf CD gebrannt weitergereicht und später von einer anderen Festplatte aus erneut gestartet und betrachtet werden. So, wie gesagt, laut Selbstauskunft der Agentur. Dialog Solutions realisiert auch selbst Viral-Produktionen, die ich jedoch bis auf wenige Ausnahmen alles andere als berauschend empfinde. Es gibt weltweit sowieso nur eine einzige Viral-Agentur, die regelmäßig den Vogel abschießt: The Viral Factory in – wo auch sonst – London. Ihre Geschichten sind so stark, daß sie ebenfalls solche “PR-Follow-Ups” ermöglichen:

Teil 1 (oben) + Teil 2 (unten)

Deutsche Viralportale (klitzekleine Auswahl):
Hanswurst, Viralmeister, Sinnfrei, Funny Virals, Elitefun, Hodenmumps, unf-unf

Die meisten der bekannten Viralportale sind in sogenannte Webringe zusammengefaßt, d.h. sie promoten sich jeweils per Link – mit einer Blogroll vergleichbar – gegenseitig auf ihren Seiten. Nachfolgend einige international etablierte Viralportale.

Internationale Viralportale (klitzekleine Auswahl):
Boreme.com, Fugly.com, Punchbaby.com, Killsometime

Newsgroups (klitzekleine Auswahl):
Spaßbilder, LustigeBilder, LustigesInternet

Social Bookmarking:

Weblogs (klitzekleine Auswahl):
Eine weiterer Verbreitungsweg ist via Weblogs. Einige von ihnen setzen sich ausschließlich mit viralem Marketing auseinander. Wie z.B. dieses Blog, das allerdings nur unzureichend gepflegt wird. Oder die nachfolgend gelisteten Blogs, die ich während eines groben Streifzug durchs Netz besuchte. Sie alle beschäftigen sich mehr oder weniger mit Werbung, viralem und weniger viralem Marketing: Bjoern Ognibeni, Bernd Röthlingshöfer, Werbeblogger, PR Blogger, COMPANICE, Werbewunderland, agenturblog, Guerilla-Marketing Blog, marketing.blog.biz, AdLand, Adrants, Adbusters, Die interessanteste Website aller Zeiten, MarketingVox, Netzkobold, ConsumerEmpowerment, Das E-Business Weblog, Guerillha Brasil, Meinungsmacherblog, Visualorgasmusblog, Agenda Pop, Nico Zorn, Adfreak, Best Ads on TV, Blindtext-Blog, Coloribus, I Have An Idea, Ideenverteiler, Joey Tomatoes, Mark Fenske, MIT Advertising Lab, Room 116, W+K London Weblog, Werbewund, BlissBlog, Blog in Space, Brain Wash, Brainstorm 9, Conceptbakery Blog, Connected Marketing, Culture Buzz Fr., e-Mail Marketing Blog, gandke internet marketing blog, vm-people, viralmarketing.de, viralmarketingbuch.de, trnd.blog, Basic Thinking, KoljaHebenstreit, B2B Online-Marketing Blog, interview-blog, soistdas, marktpraxis_blog, buenalog, Viral-Marketing_Masterarbeit-Weblog, off-the-record, Bewegungsmelder, unf-unf.de.

Allerdings sind es in der Regel nicht die Blogs, die sich mit viralem Marketing beschäftigen, die für virale Marketingerfolge verantwortlich sind, sondern es sind die etablierten, die alt eingesessenen General-Interest-Blogs, die in ihrem glaubwürdigen Auftreten für entsprechendes Gehör sorgen. Einer der bekanntesten und aktivsten Blogger ist Johnny Häusler von Spreeblick. Er wurde bundesweit mit einem Artikel über die seltsamen Geschäftspraktiken des Klingelton-Portals Jamba bekannt. Inzwischen haben die drei dort angeprangerten Jamba-Gründer ihr Unternehmen verkauft. Als nächstes war Johnny Häusler dankenswerterweise unserer angeschlagenen Musikindustrie dabei behilflich, sich mit der Untervertragnahme der talentfreien Truppe Grup Tekkan, das selbstgeschaufelte Grab noch ein bißchen tiefer zu schaufeln. Ach ja, und dann war da noch dieses Du-bist-Deutschland-Ding. Speziell darüber im Anschluß an “Das Youtube Prinzip” sehr viel mehr. Doch zunächst ein Ausschnitt aus einer Radiosendung mit Johnny Häusler, über die Themen: Weblogs, virales Marketing und die Zukunft der Musikbranche.

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Das Prinzip Youtube

Youtube, das magische Internettool, das jedem Internetuser den Konsum von Produkten gesellschaftlich Gleichgestellter ermöglicht, ist binnen Jahresfrist von “irgend einem Portal unter Millionen anderer” weltweit zu einer der beachtesten Plattformen gereift. Jeder kann seine Filmchem hochladen und stellt sie damit einem weltweiten Publikum zur Ansicht zu Verfügung. Vom gewöhnlichen Machtverlust, den gestandene Mediensympathen à la John de Mol hinzunehmen haben, ganz zu schweigen, denn der Spruch “Wenn ich nicht will, dann wirst Du nicht bekannt, und deshalb bist Du gut beraten, meine auf Nächstenliebe basierenden Spezialkonditionen zu akzeptieren” hat keine Zugkraft mehr.

An die Stelle von Hans Rosenthal, Wim Thoelke, Frank Elstner, Hans-Joachim Kulenkampff, usw. (um die Vertreter der alten Garde nicht zu vergessen), und den talentfreien Hobbykomödianten von heute (Olli Dietrich, Anke Engelke und 50% Hape Kerkeling davon ausgenommen) tritt zunehmend Youtube-Prominenz: TheHill88,

(derzeit 4.051.074 Zugriffe)

LisaNova, lonelygirl15, FilthyWhore, HappySlip und terranaomi, die es nach einem Jahr Youtube (2.579.774 Zugriffe) mit ihrem schönen Song Say It’s Possible und einem kurzen Zusammentreffen mit Al Gore auf einer Party in Los Angeles direkt von ihrem Wohnzimmer ins Londoner Wembley Stadion schaffte, wo sie anläßlich des Live Earth Konzerts auftreten durfte: Hier ihre Dankesrede, in der sie höflich und ganz bescheiden darum bittet, ihr Stück bei iTunes oder von ihrer Website entgeltlich downzuloaden: – oder blamesocietyfilms mit ihren begnadeten Darth-Vader-Parodien:

Das sind die Youtube Charts der meist abonnierten Kanäle. Einer der vielen talentierten Youtube-Spezialfälle stellt ArtieTSMITW (in den vorderen Rängen besagter Charts leider nicht vertreten) dar, den ich in meinem früheren Blog am 17. März 2006 mit seinem Re-Enactment As Good As It Gets (Originalszene mit Jack Nicholson zum Vergleich) kurz kommentiert vorstellte.

(Re-Enactment Request #3: Full Metal Jacket)

Mit seinen außergewöhnlichen Nachspielungen erreicht der stark auf Inhalt ausgerichtete ArtieTSMITW mittlerweile Zugriffszahlen von derzeit bis zu knapp 180.000 (was gar nicht soo schlecht ist). Dennoch sah er sich zu einer drastischen Maßnahme veranlaßt: Er postete am 1. Januar 2007 ein Video, für dessen Herstellung er laut Selbstauskunft nur 20 Minuten gebraucht habe: Strange Faces and Noises I Can Make III – eine Persiflage auf viele bei Youtube mit Zugriffszahlen in Millionenhöhe vertretenen Filmchen – und entschuldigt sich zugleich dafür mit den Worten:

„Pointless. Juvenile. Simple. I can see why you guys like it. P.S. – Thanks for the feature, Youtube. This video is a shining example of how one can be lauded for something that they put little or no effort into. This video took 20 minutes to make, edit, and post. Seriously, I totally agree with everyone who says this shouldn’t have been featured. For those who put time and effort into making other videos (including myself), I sincerely apologize.“

Nachfolgend das “corpus delicit“:

Innerhalb von 20 Tagen erzielte dieser Scherzstreifen 1,5 Millionen Zugriffe. Schmerzhafter- und ironischerweise eine Bestätigung für Prekariatsklassensender im DSDS-RTL-Format, daß sich eben angeblich nur mit Anspruchslosigkeit richtig Geld verdienen ließe. Wobei: Cat Head Theater (derzeit: 2.562.580) eindeutig zeigen, daß auch hochwertige Unterhaltung auf Youtube sein Publikum findet. Und hier eines meiner Lieblingsfilme: An American Drunk

So wie Napster den Untergang der Musikindustrie einleitete, so leitet Youtube das Ende der konventionellen Unterhaltungsindustrie ein. So zumindest eine der mal wieder viel zu früh ins Rennen geschickten Thesen. Denn im finanziellen Highend-Lager gibt man sich noch lange nicht geschlagen. Zunächst ein kurzer Blick auf die Youtube-Liste der “Directors”, “Most Viewed” und “All Time”: Auf den vordersten Plätzen liegen derzeit universalmusicgroup, CBS, RCARecords, und NBC, erst dann ein “Privatmann”: smosh. Im Prinzip geht es um einen Run auf die eigenen Abonnenten- und Zugriffszahlen. Was früher gute Schulnoten waren, sind heute viel beachtete Filmchen, die man selbst hergestellt hat. Diese Vorgehensweise hat viele Gesichter. Hier eine professionell gemachte Review-Show von thecruelworld über die Arbeit von Happy Slip!

Hier ist Happy Slip’s Weblog:

Damit werden emotionale Anreize geschaffen, zu filmen und zu posten was das Zeug hält. Youtube denkt darüber nach, ihre „Mitarbeiter“ für größere Zugriffsraten finanziell zu entlohnen, das kommt aber nicht freiwillig, den andere Portale schlagen gnadenlos in diese Lücke und haben bereits solche Angebote am Start: eine kurze Anleitung, wie man mit etwas Ausdauer und Rechenarbeit nach dem Ausschlußprinzip ein Vorhängeschloß mit Zahlencode öffnen kann – ohne es zu beschädigen. Originaltitel: How To Crack A Combination Lock. Der “Prdoducer Reward” beträgt derzeit $ 5, 130,-; momentane Zugriffszahl: 1.081.479. Hier der Link zum Clip bei metacafe.

Die Konsequenz: Jeder mit Videokamera, leichten Schnittkenntnissen und brauchbaren Ideen, die die Internet-User begeistern, ist ein potentieller Unternehmer im Entertainment-Business! So ist es kein Wunder, daß es bereits über diesen Trend eine Satire gibt:

Und was die bekanntesten Youtube Celebrities angeht: um sie werben bereits andere Videoplattformen, wie Nalts hier und hier berichtet.

Abschließend der reduzierteste und direkteste Weg via Youtube zu brauchbaren Zugriffszahlen zu kommen: Luke Johnson mit seinem The Luke Johnson Phone Experiment: Und natürlich war es nur eine Frage der Zeit bis CNN über Luke Johnsons Projekt berichtete: Ein weiteres Viralprojekt aus dem Hause Luke Johnson: Heinz Ketchup Fountain

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Virales Marketing in beide Richtungen – oder:
wie der Schuß auch nach hinten losgehen kann!

1.) Der Fall Du bist Deutschland:
Die beiden Agenturen Jung von Matt und kempertrautmann haben federführend die mit einem Buch-Etat von ca. 30 Mio. EURO ausgestattete Mut-und-Muntermacherkampagne für Deutschlands brachliegende Wirtschaft kreiert, nämlich: Du bist Deutschland. Umgesetzt in Print-, TV-Anzeigen und einer Website. Geistiger Vater des Konzeptes dürfte JFK mit seinem legendären Ausspruch “Überlege nicht, was Dein Land für Dich tun kann; überlege, was Du für Dein Land tun kannst!” gewesen sein. Kaum war besagte Kampagne am Start, erlitten die Macher einen Komunikations-GAU nach dem anderen. Um im Kern zu verdeutlichen, worum es ging, hier im direkten Vergleich ein die Botschaft der Originalkampagne ad absurdum führender Entwurf – bezeichnenderweise unter Verwendung eines anderen JFK-Zitates:

dubist_jfk

(Ebenso bezeichnend: dieser Entwurf ist von mir – hihi)

Doch zunächst alles hübsch der Reihe nach: Es ist nicht genau zu sagen, wodurch die Du bist Deutschland Kampagne letztendlich so übergeordnet von der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde: durch die Kampagne selbst, oder etwa durch die Gegenaktion von Spreeblick. Hier zunächst ein Blick zu Spreeblick: Johnny Häusler machte sich bereits vor dem Start der Kampagne via Weblog so seine Gedanken. So eröffnete er bei flickr auf dem Namen „Du Bist Deutschland“ eine Du-Bist-Deutschland-Gruppe und lud seine Leser dazu ein, Gegenmotive zur Originalkampagne zu erstellen und bei flickr zu posten. Hierfür stellte er per Download auch eine vorgefertigte Photoshop-Datei zur Verfügung, die bereits über einige wichtige gestalterische (Logo, Schriftzug) Elemente der Kampagne enthielt. Die Aktion schlug ein wie eine Bombe. Bereits kurz nach dem Start war die flickr-Gruppe sehr gut besucht: mehrere 10.000 Zugriffe pro Tag. Fast im Viertelstundenrhythmus wurden Gegenmotive zur Originalkampagne gepostet. Eines der ersten Motive: Du bist Sabine Christiansen. Oder Du bist Papst Benedikt XVI, Du bist Josef Ackermann, Du bist Gerhard Schröder, Du bist Angela Merkel, sogar Uni-Hörsäle und Güterbahnwaggons, mit denen früher der brave Deutsche die Juden in die Konzentrationslager verfrachtete, wurden personifiziert und mit Du bist angesprochen. Und natürlich: Du bist Werbefuzzi. Nichts und niemand schien mehr vor den bloggenden Gegenaktivisten sicher. Der Erfolg der Gegenaktion zeigte sich bereits darin, daß die Berichterstattung über die Originalkampagne in den Medien nicht kritiklos positiv ausfiel, wie man es hätte erwarten müssen, sondern sich viele Journalisten der Argumention der Weblogger und flickr-Poster teilweise 1:1 anschlossen. Zusätzlich vertraten sich in besagter flickr-Gruppe zur heißen Zeit auch einige begnadete Chefsatiriker die Füße:

Du bist Jürgen Klinsmann

Die insgesamt 11 Entwürfe von iKlass sind sämtlichst sehenswert! Außerdem konnte Spreeblick am 3. Oktober 2005 stolz verkünden:

Im Google-Ranking vor der Originalkampagne auf Platz 1!

Vom schnellen Erfolg beflügelt, analysierte die bloggende und postende Öffentlichkeit die Kamapgne nun eingehender. So wurde man erneut fündig, und zwar beim Logo, das – so will es nunmal den Anschein haben – dem Logo der Olympischen Spiele in Barcelona im Jahre 1992 recht ähnlich sieht:

Du bist geklaut

Diese Erkenntnis – und das Wissen, seinem selbstgewählten Gegenspieler erneut eine Schlappe beigebracht zu haben –, schien die Gegenaktivisten weitreichend zu motivieren: nun wurde das geklaute Logo unmißverständlich verunglimpft:

hund

Aber das war erst der Anfang. Man polemisiert, ironisiert und recherchiert weiterhin fröhlich um die Wette; abermals mit durchschlagendem Erfolg, den der Slogan Du bist Deutschland ist die Adaption einer NAZI-Kampagne aus dem Jahre 1935, die da lautete “Denn Du Bist Deutschland“, was historisch zu belegen ist:

denn_du_bist_deutschland

Deshalb ließen visuelle Neuinterpretationen, wie die folgende, nicht lange auf sich warten:

dbd_website_satire

Erscheinungsbild der Originalwebsite der Du bist Deutschland Kampagne, nur daß in den anklickbaren Vorschaubildern nicht mehr VIPs à la Ulrich Wickert, Oliver Kahn und Xavier Naidoo abgebildet waren, sondern hinlänglich bekannte NAZI-Schergen. Das Kampagnen-Logo wurde dementsprechend modifiziert.

hitler_du_bist_deutschland

Das Motiv “Du bist Adolf Hitler” stand in der flickr-Gruppe Du bist Deutschland keine 48 Stunden online, dann verschwand es wieder. Hatte der Urheber es selbst vom Netz genommen? Oder bekam Spreeblick kalte Füße, entschloß sich gar, es zu sperren?

Für die beiden Werbehäuser Jung von Matt und kempertrautmann schien die Gegenaktion von Spreeblick immer mehr zu einem Problem zu werden. Der gute Ruf, insbesondere der von Jung von Matt, litt arg. Versuchte man etwa, offensiv in der Du-Bist-Deutschland-Gruppe bei flickr negative Stimmung zu verbreiten, in dem man u.a. solche Entwürfe postete?

Du bist am Ende

Dieses Motiv (bitte anklicken) begleitet eine seltsame Diskussion, in der sich die Kontrahenten nicht nur gegenseitig vorwerfen, einerseits “Buchclublyrik” zu produzieren und andererseits am Ende zu sein, sondern auch so ihre liebe Not mit der Gewährleistung demokratischer Grundprinzipien haben, deren Gültigkeit sie jedoch für sich selbst einfordern – wie dieser Kommentar von kikuyumoja beweist.

Anonym über einen flickr-Account gepostet, der primär Fotos von Rugbyspielern beiderlei Geschlechts und das schöne Landleben dokumentierende Bilder beinhaltet?

Keine Ahnung. Aber falls ja, so fruchtete das alles nicht: So gelangte zu allem Überdruß eine hausinterne Mail, in der sich Jean-Remy von Matt gegenüber seinen Mitarbeitern den Frust von der Seele schrieb, in die Hände von Jens Scholz: “(…) Von den Weblogs, den Klowänden des Internet: Was berechtigt eigentlich jeden Computerbesitzer, ungefragt seine Meinung abzusondern? Und die meisten Blogger sondern einfach nur ab. Dieser neue Tiefststand der Meinungsbildung wird deutlich, wenn man unter http://www.technorati.com eingibt: Du bist Deutschland. (…)” – ein Ausschnitt aus besagter Jean-Remy von Matt-Mail, die hier vollständig nachzulesen ist. Wie? Webblogs sind die Klowände des Internets? Ungefragt seine Meinung absondern? Huiuiui, aus der Sicht der Gegenaktivisten starker Tobak, der entsprechend beantwortet wurde: Du bist daneben, Du bist beleidigt, Du bist Jean-Remy von Matt.

Die Macher der Originalkampagne lagen geschlagen am Boden, die ganze Diskussion verunsicherte, so wurde gemunkelt, ebenfalls die Werbekunden von Jung von Matt. Das makellose Image einer mustergültigen Kreativschmiede war hinreichend angekratzt. Jean-Remy von Matt bliebg nichts anderes übrig, als sich bei den Bloggern für seine Entgleisungen zu entschuldigen.

2.) Der Fall Edmund Stoiber:
Darüber sind nicht mehr viele Worte zu verlieren…
Die selbstzerstörerische Kraft der viralen Stoiber-Reden wird derzeit auch von der SPD in Bayern genutzt:

Welche Trends zeichnen sich für die Zukunft ab? Nunja, vielleicht der eine oder andere Selbstversuch. Vielleicht. 🙂

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Wird bei Gelegenheit fortgesetzt.