Archive | April, 2020

Machetentango (*)

28 Apr

Machententango erster Klasse
Walzt sich über Schienenwirr:
Bube, Dame, …, doch vier Asse –
Der erste ohne Beißgeschirr
Murmelt voller Lebenssinn:
«Seht! Ich bin! Ja, noch ich bin!
Seht nur her: Mein Bundeskinn!
»

Machetentango zweiter Klasse
Wirkt in einer Fleischfabrik:
Schenkel, Hüfte, Hackfleischmasse –
On peut dire: «Oh là, très chique.»

Machententango – Bundestag:
Mango, Apfel, Hirnpürée:
Veganerfango «Hackehack»
Entspricht erneuertem Clichée,
Welches nun im Samtbidet
Auf leichte, seichte Reise geht:
Ein Naißehähnchen kräht.

Machetentango, weichgespült,
Erzählt im freundlichen Boudoir,
Der blauen Dame eisgekühlt:
«On fait froid, parce qu’on fait froid.»

Machetentango – Schlußpunktfreund,
Hochgeschossen: Stratosphäre.
Sonnen- und ozongebräunt
Schneidet sich der schwere Held
Mit einer kleinen Schere
Eingezäunt durchs Feine
Und eingezäunt durchs Leere.

Machetentango, schwereloser,
Tänzelt über Schienenwirr:
Er denkt an Alois Dimpfelmoser
Und auch noch an sein Beißgeschirr.

(*) Assoziationen während einer längeren Reise mit dem ICE quer durch die Republik.

***
Sensibles Thema. Deshalb keine Kommentarmöglichkeit.
***

Günter Wallraff: «Mein Leben als hackfleischeske Handgranate»

24 Apr

Günter Wallraff:
«Mein Leben als hackfleischeke Handgranate»
erschienen im btv Verlag
Click to enlarge mincemeatedly

Günter Wallraff, der Premiuminvestigativjournalist mit dem untrüglichen Riecher für das Brisante im Thema, mit dem glücklichen Händchen für den Skandal in der trächtigen Story, kam einst von ganz unten, nur um den steinigen Weg nach noch mehr ganz unten anzutreten: Sein Wirken als «getarnter BILD-Journalist», seine Aufräumarbeiten als «Ali, der Drecksarbeiter» und zuletzt als vermeintliches Hackfleischbällchen in der Großküche einer bekannten Schnellrestaurantkette. Immer recherchiert er unter Aufopferung seiner selbst, wertet er umsichtig die Faktenlage, deckt gnadenlos auf. Nicht umsonst nennt man ihn in Kennerkreisen den «Clint Eastwood der Gerechtigkeitspresse».

Auch die Geschwindigkeit, mit der er sich auf veränderte Arbeitsbedingungen einzustellen vermag, ist beeindruckend. Dies zeigt sich aktuell in der Corona-Krise besonders deutlich. Während sich seine Kollegen alle schön brav an die Auflagen zur verpflichtenden Heimarbeit halten, geht Günter Wallraff wie gewohnt andere Wege. Ordnungsgemäß mit verdeckten Atemwerkzeugen und Tauchermaske ausgestattet, plaziert er sich als vermeintliche «Hackfleischhandgranate» mitten auf dem Gehweg und wartet darauf, daß besonders vorbildlich Agierende in ihm das erkennen, was er tatsächlich zu sein vorgibt, nämlich ein mit Corona-Viren verseuchter Hackfleischklops, der nur so darauf wartet, von Besorgten wie ein Fußball vom Gehweg weggekickt zu werden. Und so landet er mal in einem Vorgarten, mal fliegt er durch das geöffnete Fenster im 3. Stock eines Wohnhauses und mal kommt er auf der Ladefläche eines vorbeifahrenden Pritschenwagens vorübergehend zu Ruhe – und tritt so seine Reise durchs Land an. Einmal am gewünschten Zielort angekommen explodiert er umgehend, zerlegt sein nächstes Umfeld fach- und sachgerecht in seine zahn- und zahllosen Einzelteile, die Totalkontamination mit «blutigem» Hackfleisch ist erwünschter «Nebeneffekt», das Wallraffsche Investigativprogramm läuft auf Hochtouren: Es riecht nach Verbrechen, Hygieneverstößen und menschlicher Umweltverschmutzung.

Der im btv-Verlag erschienene aktuelle Arbeitsnachweis Günter Wallraffs ist gespickt mit den Ergebnissen seiner neuesten Untersuchungen am offenen Herzen unserer Gesellschaft: sachlich, prägnant, ernüchternd, pikant, desillusionierend, liebenswert – und vielleicht auch ein bißchen zu stark gewürzt. Einige Leser berichten gar von einem nach frischem Rinderhack schmeckenden Buchumschlag. Kurzum: der ideale Lesestoff, um durch die verrückte Zeit zu kommen, und ohne daß einem das Gefühl vermittelt wird, den gesellschaftlichen Anschluß zu verlieren. 468 Seiten, broschiert, 24,99 €. Leseempfehlung!

***
Rettet die Wale. Deshalb keine Kommentarmöglichkeit.
***

Andreas Baier: «Die Band KLEIN» in «Flashback» (fotoPRO 2018/3)

20 Apr

Click to enlarge kleinedly

In der Rubrik Flashback des Fotomagazins «fotoPRO» blicken «gestandene Fotoprofis zurück auf denkwürdige Aufträge». In diesem Beitrag erinnert sich unser Redaktionsfotograf Andreas Baier an seine Kollaboration mit der 80er-Kultband «KLEIN»:

Der ziemlich schnell nach ihrer Gründung mit dem Stempel «kultverdächtig» versehenen Kult-Band klein gelang es, direkt nach Veröffentlichung ihres ersten Live-Albums einen Plattenvertrag bei Epic/Sony zu unterschreiben. Das vom Band-Leader und unserem Redaktionsfotografen ausgearbeitete Fotokonzept sollte unter satirischen Gesichtspunkten vermeintlich kriminelle Aspekte in den täglichen Wohn- und Lebensbereichen von Egon und Erika Mustermann unterschiedlich interpretiert visualisieren. Ihr Arbeitstitel lautete: «Tatort Wohnzimmer» – wo immer sich besagtes Freigehege auch gerade befinden mochte.

Bemerkenswerterweise entwickelte dann der eigentlich als eher bieder einzustufende Produktmanager eigenmächtig ein polarisierendes Marketingkonzept, das als emotionalen Höhepunkt den Besuch des Frankfurter Oberstaatsanwaltes im Büro des damaligen SONY-Deutschlandschefs – der sich in Sachen effektiver Öffentlichkeitsarbeit viel lieber mit seinem Rolls-Royce in Verbindung gebracht sah – und dessen dortige eingehende Vernahme zur Folge hatte, was wiederum in die fristlose Entlassung des verantwortlichen Produktmanagers sowie die Auflösung des Plattenvertrages mit der immer noch als kultverdächtig zu bezeichnenden Kult-Band klein mündete.

Ausführlicher Bericht auf der Website unseres Redaktionsfotografen.

***
Sensibles Thema. Deshalb keine Kommentarmöglichkeit.
***

Schnitzel im Genick: Ein Diätversuch!

18 Apr

Click to enlarge strechedandcompressedly

 

«Oetker-Kuchen», Schwarzwald lecker,
Kirsch entkernt – dank «Black ‘n Decker».
Niemals bitter, nie Akkord,
Mandelsplitter, «Ritter Sport».
Pudel bügeln, «Oben ohne»,
Nudel zügeln, «Toblerone».
Leibesübung hat kein Zweck,
Schlecke lieber Eiskonfekt.
Werde nie beim Schwitzen naß,
Nasche lieber «Häagen-Dazs».
Habe alles gut im Blick:
Auch mein Schnitzel im Genick.

||Ob BMI oder BMW oder auch als Ypsilon:
Ja, ich laufe im Stehen jeden Doppelmarathon.
Ob als Erdling oder auch als digitaler Thron:
Ja, ich laufe im Stehen jeden Doppelmarathon.||

Auf Liegestütz hab ich kein Bock:
Trinke «Schoggi Doppelschock».
Wofür ist die Eisenhantel?
Speise lieber «Magnum Mandel».
Schokokuß mit Bleieinlage:
Großer Spaß auf meiner Waage.
Auch das Spinning bringt nichts mehr:
«Brauner Bär» macht mich ganz schwer.
Sinnlos auch mein Trainingsfluchen:
Viel zu gut schmeckt Marmorkuchen.
Quer geht’s durch die Republik:
Alles ist so schnitzelig.

||Ob BMI oder BMW oder auch als Ypsilon:
Ja, ich laufe im Stehen jeden Doppelmarathon.
Ob als Erdling oder auch als digitaler Thron:
Ja, ich laufe im Stehen jeden Doppelmarathon.||

Chor der elastischen Engel:
Ich bin trainiert, bin «Mr BIG»,
Nur mit Schnitzel im Genick.
Ich bin so fit wie eine MIG
Dank meines Schnitzels im Genick.

||Ob BMI oder BMW oder auch als Ypsilon:
Ja, ich laufe im Stehen jeden Doppelmarathon.
Ob als Erdling oder auch als digitaler Thron:
Ja, ich laufe im Stehen jeden Doppelmarathon.||

 

Inspiriert durch den täglichen Gebrauch oben abgebildeter Bluefin-Vibrationsplatte.

***
Pinguine stehen Kommentarmöglichkeiten
eher kritisch gegenüber, weshalb sie deaktiviert wurden.
***

Home Office: Social Distancing

16 Apr

via: Daily Mail

***
Rettet die Wale. Deshalb keine Kommentarmöglichkeit.
***

Pablos Holman: «What Hackers Can Do To Save The World»

14 Apr

Pablos Holman illustrates the tricky aspects of RFID-technology.

Let’s face it: usually, a hacker’s reputation isn’t the best – seen from the perspective of someone who isn’t really familiar with such topics. And so aren’t we. That’s why we will give you some basic impression of how brightly minded a brilliant hacker has got to be; and how he uses his brain capacities to do good on mankind’s problems.

Thanks to Berlin School of Creative Leadership we very much enjoyed the luxurious advantage of being taught by one of the best hackers: by Mr Pablos Holman himself.

For all those of us who still suffer from an uncertain vision about that what hackers real abilities are, Pablos Holman first explained to us, that hackers never accept a certain status quo and that they always try to look and go beyond any border. For that reason – like any other – even hackers use to enter airplanes and call ordinary passports their own. But what they can do with such an ordinary passport as well, is what it separates them from us, to so-called common people, who always obey rules in precisely that manner as they firstly appear.

Pablos Holman indicates that «Samy is my hero».

Alright, let’s start the fire: «Samy» is the guy who made it straight into «The Book of Internet History». It was him who created the legendary make-myspace-friends-script. Simply by visiting a profile both sides automatically became friends. Within weeks some myspace users gathered from 100k up to 1m of magic friends that came out of nowhere. However, out of a clearly structured hic et nunc «Samy» was not allowed to touch any computer for a period of ……. years/months?

By the way: What does such a verdict mean in reality? That you aren’t even allowed to use a cash dispenser in order to make an ordinary cash withdraw? That you aren’t even allowed to buy a train ticket from a ticket machine, which – of course – runs with a computer inside? May be it’s just meant to be a ritual, a procedure that separates the best from the good? May be it is designed as a special recruiting (Maßnahme) to get in touch with «The best, of the best of the best, sir!». Who knows…

Another important starter was that Pablos Holman showed us screenshots from TV-sets in hotel rooms, showing what the specific users was actually doing in their guessed but not existing privacy: making a money transfer of about $30m quit, for example. Certainly, all the bank details were on display as well.

How to snap secret credit card details wirelessly?
Pablos Holman demonstrates it.

«Can I have anyone’s credit card, please?» No wonder that all participants instantly forgot theirs at home… So he took his, certainly an expired one, and caught his secret card details with a blimp of an eye.

How to snap secret credit card details wirelessly?
Pablos Holman demonstrates it.

How to snap secret credit card details wirelessly?
Pablos Holman demonstrates it.

***
Comments disabled in order to save the world,
not to forget the whales, of course.
***

«Schwarzdenker» – Die neue «Zeit-Streit-Schrift»

12 Apr

Das Titelbild der ersten «Schwarzdenker»-Ausgabe –
Die neue «Zeit-Streit-Schrift»
Click to enlarge angriedly

Daß hier Schwergewichtiges geboten wird, offenbart bereits ein flüchtiger Blick auf die Autorenliste (Auszug): Dr. Hans Jürgen Escherle «Verfall und Untergang der Sprache»; Jost Hochuli – «Ärgernisse»; Herbert Lechner «Fake News und die Lust am Betrug»; Olaf Leu «Der große Bluff»; Horst Moser «Mein Fremdschäm-Akku ist leer»; Peter Vetter «Immer dasselbe – immer anders»; Kurt Weidemann «Anmerkungen zum Umgang mit Kunden»; susanne zippel «vom komplexen unsinn der konsequenten kleinschreibung». Initiiert, gestaltet und herausgebracht wurde das gute Stück von Victoria Sarapina.

Die Rückseite der ersten «Schwarzdenker»-Ausgabe
Die neue «Zeit-Streit-Schrift»
Click to enlarge angriedly

Die Rückseite gibt gut gestaltet die grobe Marschrichtung vor: «Beim Lesen läßt sich vortrefflich Denken. (Leo Tolstoi) Beim Lesen von ‹Schwarzdenker› vortrefflich amüsieren. Die Zeitschrift wirft einen bitterbösen, selbstironischen Blick auf die Lage der Kreativ-Branche und den Zeitgeist. Für Designer. Für alle, die es werden wollen, und für deren Eltern, die das gern verhindern würden».

Das ist ein sehr guter Werbetext, der die Sache weitestgehend korrekt beschreibt. Allerdings nur weitestgehend. Denn einige Beiträge sind alles andere als «selbstironisch» oder «bitterböse»: sie legen hinreichend desillusioniert die Auswirkungen des gesamtgesellschaftlichen Offenbarungseides dar, der im Laufe der letzten 30 Jahre tagtäglich von Waldorfschulgeschädigten, die ihren «langen Marsch durch die Instanzen» bedauerlicherweise erfolgreich absolviert haben, zum erheblichen Nachteil aller geleistet worden ist – und immer noch geleistet wird. Unter dem Deckmantel einer falsch verstandene Gleichmacherei (oft mit «Chancengleichheit» verwechselt) wird der Neid auf jene Leistungsträger kompensiert, die schon in der Schule zu den Besseren gehörten. Schließlich muß es eine schlüssige Erklärung dafür geben, warum die nicht gänzlich geistig Hellen im Regelfalle einen nicht gänzlich geistig hellen Eindruck machen. Das wirre Gerede einer Claudia Roth mag hierfür ein brauchbares Beispiel sein. So vertritt sie die steile These, daß auch ein Mensch mit Hilfsschulabschluß unbedingt die Möglichkeit haben muß, Medizin zu studieren. Oder, noch schlimmer, «auf Lehramt». Und dann wird von diesen Leuten zum Beleg das Grundgesetz herangezogen, ohne daß sie vom Grundgesetz auch nur die leiseste Ahnung haben. Horst Moser schreibt dazu in seinem Beitrag: «Ein Cover der Zeitschrift brandeins brachte das Thema Gleichheit auf den Punkt: ‹Gleichheit ist nicht gerecht› (Oktober 2003). Der brand eins-Autor und Mitgründer Wolf Lotter schreibt dazu: ‹Gleich­heit ist nicht gerecht – und kann auch gar nicht ge­recht sein. Jeder benötigt etwas anderes. Aber unsere Strukturen sind dennoch darauf ausgerichtet, uns alle gleich zu machen – Unternehmen, Karriere, Politik und vor allem Schulen zielen darauf ab, uns gleich zu machen. Speziell an Universitäten erleben wir das Streben nach Gleichheit.›»

Verfall und Untergang der Sprache
von Dr. Hans Jürgen Escherle
Click to enlarge languagedly

Und so sei hier in Sachen Sic transit gloria mundi im «Schwarzdenker» auf den Beitrag «Verfall und Untergang der Sprache» von Dr. Hans Jürgen Escherle verwiesen. Es vergeht kaum ein Tag, da man nicht in der Tageszeitung, in Teletextnachrichten, im Fernsehen oder im Netz auf den Portalen sogenannter Qualitätsmedien mittels gravierender Rechtschreib- und Grammatikfehler sowie weiterer grober Sprachnachlässigkeiten gequält wird. Dieser Konstantmangel wird offensichtlich weder von der breiten Durchschnittsmasse noch von den verantwortlichen Chefredakteuren als solcher empfunden. Hauptsache, der neue Nasenring ist stabil genug, um sich an ihm bereitwillig durch die Youtube-Manege ziehen zu lassen, denn: Hauptsache ist ohnehin alles. José Ortega y Gasset formulierte bereits 1931 in Der Aufstand der Massen: «Das ist es, was ich im Kapitel als Kennzeichen unserer Epoche hinstellte: Nicht, daß der gewöhnliche Mensch glaubt, er sein außergewöhnlich und nicht gewöhnlich, sondern, daß er das Recht auf Gewöhnlichkeit und die Gewöhnlichkeit als Recht proklamiert und durchsetzt.» Bei Dr. Hans Jürgen Escherle liest sich das in seinem Essay über den nachkrieglichen Zerfallsprozeß unsere Sprache so: «Man hat sich bisher an einer Art Bildungssprache orientiert, jetzt orientiert man sich an der Unterschicht und am Pausenhof. Der zitiert längst keine Klassiker mehr, salonfähig ist vielmehr Fack ju Göhte.» Das ist fein beobachtet. Aber möglicherweise begründet das noch nicht vollständig den gesellschaftlichen Verfall. Er geht ebenfalls einher mit einem überzogenen Interesse an sich selbst – und zwar ausschließlich an sich selbst. Spätestens mit Angela Merkel wurde die Satzkonstruktion «Ich aber sage, …» salonfähig. Bei uns im Kindergarten lautete in den 1960ern noch der Merksatz: «Nur der Esel nennt sich selbst zuerst». Dr. Hans Jürgen Escherle schreibt dazu: «Sprache ist nicht nur Werkzeug des Denkens, sondern auch ein Indikator. Was geschieht, wenn das Werkzeug unbrauchbar wird? Was geschieht, wenn Sprache Alarm auslöst? Mit einem stumpfen Messer kann man nicht schneiden. Und mit einer Deppensprache nicht denken.» Und ergänzend: «Hier schließt sich der Kreis: Wir reden alle von Ehe 2.0, vom Chillen, Detoxen und anderen Lächer­lichkeiten, ohne uns der Lächerlichkeit bewusst zu sein, und die Zahl der Emojis steigt.»

Ärgernisse
von Jost Hochuli
Click to enlarge punishingemojiedly

Und so stellt auch Jost Hochuli fest: «Ich wundere mich immer wieder, dass sich so viele Typografen ganz grundsätzlich nicht um die Sprache zu kümmern scheinen – obwohl doch Typografie in erster Linie Visualisierung von Sprache bedeutet und nicht einfach ästhetisierendes Hin- und Herschieben von Textblöcken, Titelzeilen und Abbildungen.» In seinem Essay zieht er zur Beweisführung das nicht sonderlich überzeugend gestaltete Buch eines Designers heran, den er namentlich nicht nennen möchte, der sich aber mit ein paar treffenden Suchbegriffen schnell recherchieren läßt. Der Wikipedia-Artikel der besagten Person strotzt und protzt nur so mit jedem einzelnen Detail zu seiner Vita. Einer wahren Kapazität würde soo etwas nicht im Traum einfallen. So scheint auch dieser Umstand die These von der gesellschaftlich verherrenden Wirkung des Ich-Ich-Ich-Über-Ichs zu stützen. Jost Hochuli: «Schludriger Umgang mit der Sprache, wichtigtuerischer Gebrauch der Sprache, Wichtigtuerisches im Hinblick auf die Sache, dummes und rücksichchtsloses Design – das ist es, was mich ärgert.» Indeed, wobei: in der Tat. Denn: «Eine Trivialität – verbal noch so emphatisch zelebriert oder typografisch in Szene gesetzt – bleibt eine Trivialität, und nur, weil sie englisch daherkommt, ist sie nicht weniger trivial.»

Über Jost Hochuli berichtete Meerschweinchrenreport bereits hier und hier.

Mein Fremdschäm-Akku ist leer
von Horst Moser
Click to enlarge emptiedly

Mein Fremdschäm-Akku ist leer
von Horst Moser
Click to enlarge emptiedly

Mein Fremdschäm-Akku ist leer
von Horst Moser
Click to enlarge emptiedly

Bei Horst Moser heißt es: «Gleich den Schock vorweg: Die Erbärmlichkeit des gemeinen Designers muss – ein Mal zumindest, und zwar hier – anhand kollektiver Verwerfungen angezeigt werden. Welche Verwerfungen? Dazu komme ich gleich. Zunächst noch eine Bemerkung zum Geburtsfehler dieser Spezies.» Und dann werden so viele «Geburtsfehler» aufgelistet, daß er eher von einem grundsätzlichen Konstruktionsfehler spricht, was, abhängig vom Geisteszustand der jeweiligen Generation, aber durchaus berechtigt ist. Und eigentlich dürfte selbst einem Fachfremden ein kurzer Blick auf die ersten drei Doppelseiten seines Beitrages ausreichen, und der Fachfremde begriffe sofort, was das Problem ist: Inkompetenz sowie der mangelnde Wille, sich selbst als dienende Funktion im Interesse einer übergeordneten Informationsvermittlung zu sehen – und genau darin die eigene Befriedigung zu finden. Diese verhunzten Doppelseiten sind Ergebnisse, die ihre Verwirklichung Inkompetenz, Desinteresse, vermischt mit dem unheilbringenden 68er-Keim des «sich einbringen Wollens» verdanken.

Wir erinnern uns als Mitglied der DDC-Jury des Jahreswettbewerbes «Gute Gestaltung» in der Kategorie «Studentische Abschlußarbeiten» ein formal hervorragend gedrucktes Buch aus dem Verkehr gezogen zu haben, weil die großformatigen Portraitfotos nicht nur fett über den Bund gelegt wurden, sondern auch, weil es sich der hierfür verantwortliche Junggestalter nicht hatte nehmen lassen, zusätzlich noch ein auf jede Person inhaltlich zugeschnittenes Mini-Booklet quer über das jeweilige Gesicht zu heften, welches dadurch ausschließlich entweder nur halbseitig links oder nur halbseitig rechts zu betrachten waren. Das war schlicht unfaßlich. Consequently, the Oscar goes not to …

Das sind alles Leute, die im späteren Berufsleben glauben, daß ihnen das Recht zustünde, alles machen zu können, und zwar allein schon deshalb, «weil sie studiert haben». Horst Moser schreibt u.a. zu diesem Problem: «Ich meine nicht die große philosophische Frage der Willensfreiheit im Schopenhauerschen Sinn, der treffend festgestellt hat: ‹Der Mensch könne tun, was er will, aber er könne nicht wollen, was er will.›» Unser Redaktionsfotograf erinnert sich an eine Portraitstrecke von Designagenturinhabern, die er im Auftrag der Landeshauptstadt Wiesbaden für das die Wiesbadener Designtage begleitende Magazin «Access All Areas» anfertigte. Bei einem Portraittermin wurde er von einem dieser seltsamen Jungagenturinhaber gefragt, welche Brennweite er denn gerade verwende, worauf unser Mann fürs grobe Korn antwortete: «Keine Ahnung, irgendwas mit Objektiv». Diese lakonische Antwort führte dazu, daß sich besagter (und offensichtlich nicht sonderlich erfahrene) Agenturjunginhaber mit den Verantwortlichen des «Access All Areas»-Magazins in Verbindung setzte, um seinen «Anspruch auf einen richtigen Berufsfotografen» zu reklamieren, denn: «schließlich habe ich studiert». Tja, wenn das alles ist, was Hochschulen heutzutage hervorzubringen vermögen, dann sind sie umgehend zu schließen. Diese fortlaufende Verschwendung von Steuergeldern ist angesichts durchzufütternder Flüchtlingsströme durch nichts zu rechtfertigen. Überflüssig darauf hinzuweisen, daß die hier in Rede stehende «Jungagentur» auch heute, über 10 Jahren nach diesem kleinen Vorfall, nichts hervorgebracht hat, über das zu Reden es sich lohnen würde.

An dieser Stelle fällt uns übrigens auf, daß auch das Thema «unbrauchbare Informationsgrafik» im «Schwarzdenker» durchaus seinen berechtigten Platz gehabt hätte. Nachfolgend die Arbeitsbeispiele zweier bekannter Gebrauchsgrafiker des 20. Jahrhunderts, die mit ihren individuellen Lösungsansätzen den Besuchern Manhattans eine brauchbare Orientierungshilfe an die Hand geben wollten.

Piet Mondrian wurde der Öffentlichkeit insbesondere durch seine Kreationen für das Pariser Modehaus Yves Saint Laurent in den 1960er sowie sein innovatives Verpackungsdesign für die französische Nobelduftmarke «L’Oréal» Mitte der 1990er Jahre bekannt. Zwar gewährt sein Stadtplan mit dem lebensbejahenden Titel «Broadway Boogie Woogie» (1942-43) einen realistischen Eindruck vom Grundriß der New Yorker Innenstadt, wenngleich dem typisch diagonalen Straßenverlauf des Broadways hier keine Rechnung getragen wurde, was eine stimmige Standortbestimmung mit diesem Kartenmaterial bedauerlicherweise nicht möglich macht.

Auch der zweite Kartierungsversuch Manhattans mit dem Titel «Nummer 1» aus dem Jahre 1949 von Jackson Pollock läßt insbesondere in den letzten Jahren Zukunftsforscher verstärkt aufmerken, erweckt dieser Entwurf doch den Eindruck, daß es dem depressiven Alkoholiker mit übergeordnetem Sendungsbewußtsein offensichtlich gelungen ist, bereits kurz nach Kriegsende sowohl die Bewegungsströme aller zukünftiger New Yorker Mobilfunktelefonnutzer als auch das gesamte Flugaufkommen über der Millionenmetropole detailgetreu abzubilden. Faszinierend und wunderschön anzusehen, nur leider wird man auch mit diesem Lageplan «The Bitter End» in der Bleecker Street nicht auffinden können. Schnüff.

Über Jackson Pollock und sein besonderes Verhältnis zu Peggy Guggenheim berichtete Meerschweinchrenreport bereits in seinem Beitrag über Tom Wolfs «Das gemalte Wort» hier.

Mein Fremdschäm-Akku ist leer
von Horst Moser
Click to enlarge emptiedly

Zur mangelnden Übersichtlichkeit im Bereich der reinen Typografie schreibt Horst Moser im übertragenen Sinne zu dieser Grundproblematik: «Nicht mühelose, schnelle Erfassbarkeit ist das Ziel dieser Gestaltung, sondern ein Wortbrocken-Zusammenstottern in bester Analphabeten-Manier.»

Horst Moser in seinem Büro
fotografiert von unserem Redaktionsfotografen Andreas Baier
Click to enlarge officedly

Als Gründer und Inhaber von «independent Medien-Design» kennt er auch die Mentalität potentieller (oder eben nicht potentieller) Mitarbeiter seines Gestaltungsbüros: «In Bewerbungsgesprächen kenne ich nahezu alle Antworten und Vorlieben der Kandidaten, bevor sie sie aussprechen. Würde man sie im politischen Spektrum verorten, wären öko, bio und grün die entsprechenden Labels.»

Über Horst Moser berichtete Meerschweinchrenreport bereits hier und hier.

Der große Bluff
von Prof. Olaf Leu
Click to enlarge typographedly

So stehen wir nun nach vorstehender Bestandsaufnahme vor der Beantwortung der Frage, wie Entscheidungsträger auf Unternehmensseite, die vielfach unfähig sind, Qualität zu erkennen, die richtige Wahl unter zu beauftragenden Gestaltungsbüros treffen wollen, die sich ihrerseits oftmals selbst nicht in der Lage sehen, die erforderliche Qualität zu liefern? Und genau hier hilft uns Olaf Leus Essay «Der große Bluff» weiter. Er erklärt uns, daß es genau aus diesem Grunde so viele Kreativpreise bzw. «Apothekenbesuche» gibt: «Die ‹Apotheken›, sprich Wettbewerbe, befriedigen eine Nachfrage, die allein von Designern ausgeht. Und weil es so große Nachfrage gibt, gibt es so viele ‹Apotheken›.» Und weiter: «Das Ganze soll wie ein Narkotikum wirken. Und bei unbedarften Kunden, die nach Teilnehmern für einen Pitch suchen, funktioniert das auch». Voilà. Ergo: «Die Awards-Flut macht tatsächliche Differenzierungsmerkmale für unsere Kunden kaum mehr unterscheidbar. Die Nachricht, als einziger von 22.000 Einsendern einen Black Pencil beim D&AD zu bekommen, geht in den Nachrichten über 500 if-Awards völlig unter, weil unsere Kunden beides sowieso nicht unterscheiden können (…).»

Über Olaf Leu berichtete Meerschweinchrenreport u.a. bereits hier und hier und hier.

Anmerkungen zum Umgang mit Kunden,
Medien und der Öffentlichkeit: Manieren
von Kurt Weidemann
Click to enlarge nahkampfedly

Olaf Leu brachte auch den Text der 2011 verstorbenen Gestalter- und Kommunikationslegende Kurt Weidemann in das «Schwarzdenker»-Magazin ein, wofür ihm einmal mehr großer Dank gebührt. Weidemann seziert den komplexen Aufbau eines Unternehmens: «In den Unternehmen sitzen die ‹Unternehmensbildhauer› und basteln an der Corporate Identity, Corporate Personality, am Corporate Behaviour, an der Corporate Communication, am Corporate Image und Corpo­rate Design. Offenbar haben die Unternehmen Probleme, sich selbst zu erkennen und sich selbst zu benennen. Ihr Selbstverständnis und ihr Erscheinungsbild verschwimmt, doubliert, ist widersprüchlich oder gar nicht vorhanden.»

Und weiter schreibt er: «Die Kommunikation organisiert den monologen, dialogen, multifunktionalen Umgang der Menschen miteinander, ohne einander oder gegeneinander. Die Mittel dafür sind heute vielfältiger als je zuvor. Und sie zu bedienen, ist zunehmend weniger schwierig. Aber um mit den Kunden Verständnis und Vertrauen aufzubauen, braucht man immer noch etwas ganz Altmodisches: das Gespräch, Auge in Auge und Wort für Wort.»

Um zumindest halbwegs zu verstehen, WER der Verfasser dieser Worte war, ist es hilfreich zu wissen, WIE er sich selbst am Markt «positionierte», wobei wir es für hinreichend wahrscheinlich halten, daß er für uns allein für den Gebrauch des Wortes «positionierte» höchstwahrscheinlich einen Termin zur umgehenden Vorsprache beim zuständigen Standgericht vereinbart hätte: Der im 2. Weltkrieg mehrfach durch Nahkampf Verwundete saß da in seinem umgebauten Stuttgarter «Stellwerk West», zog sich Tag für Tag zu früher Morgenstunde ein Pils nach dem anderen aus der eigens zu diesem Zwecke direkt an seinen Schreibtisch verlegten Zapfanlage, dachte wohl so über dieses und jenes reichlich nach, entwickelte bei dieser Gelegenheit auch noch ein paar Schriften, u.a. die «Corporate», die die Hausschrift von «Daimler-Benz» und der «Deutschen Aerospace» werden sollte und beriet überaus erfolgreich in knallschwarzen Lederhosen persönlich die Vorstände von eben solchen international agierenden Weltkonzernen. Ein Produktdesigner, der ihn sehr gut kannte, sagte uns, daß «Weidemann eines nicht kannte: Angst. Er hatte vor nichts und niemandem Angst. Wenn Du weißt, welchen Job er im Krieg hatte, dann kommst Du da nur lebend raus, wenn Du keine Angst hast». Seinen Briefbogen zierte übrigens mittig eine kleine Tuschezeichnung, die von hinten König und Hofnarren ins Gespräch vertieft beim Wandeln zeigen. Der übergewichtige und körperlich wesentlich größere König beugt sich seitlich tief zum Hofnarren hinunter, um seinen Worten besser lauschen zu können. Wir glauben, daß es Kurt Weidemanns große Fähigkeit war, die Dinge – so wie sie sind – ohne Umschweif entwaffnend direkt zu beschreiben.

Legendär auch sein in der Öffentlichkeit geführte Disput ob seiner Neugestaltung des DB-Logos mit Erik Spiekermann, den er als «Stadionlautsprecher» bezeichnete. Der Auftakt im zugehörigen Bericht im SPIEGEL vom 28. 03. 1994 unter der Überschrift «Zu viele Busenbogen» las sich damals so: «Keinem Lokführer und keinem Schlafwagenschaffner war bislang aufgefallen, daß er mit dem Bahn-Emblem auf der Mütze für eine ‹hohe feminine Anmutung› sorgte. Der Stuttgarter Design-Professor Kurt Weidemann, 71, sah’s auf einen Blick. Insgesamt 28 Rundungen zählte er in dem 1952 entworfenen Logo – ‹Busenbogen›, ‹Hüftbogen› und ‹Schwangerschaftsbogen›; ganz miserabel schienen ihm die vier ‹runden Ecken›, die ‹tiefenpsychologisch Entscheidungsschwäche› symbolisierten. Seit Jahresanfang, seit es die Deutsche Bahn AG gibt, hat der Staatsbetrieb ein neues Signet. Rund 25 Millionen Mark hat die Einführung des Emblems gekostet; statt der weiblichen Rundungen – laut Weidemann ‹zu schlaff› – hat der Stuttgarter Designer ‹Straffung, Aufrichtung, Schlankung› geschaffen. Diesem ‹gewissermaßen erigierten Zeichen›, spottete der Berliner Typograph Erik Spiekermann, 46, in der Fachzeitschrift form, fehle ‹jede Emotion, wie Männern, die bekanntlich ja auch nicht mit dem Bauch, sondern einem weiter unten gelegenen Körperteil fühlen›.» Diese Vorhaltung dürfte Kurt Weidemann hinreichend kalt gelassen haben, zeichnete ihn doch ohnehin ein bemerkenswert entspanntes Verhältnis auch zu seinen eigenen Körperteilen aus. Angesprochen auf seine heftigen Trinkgewohnheiten antwortete der im Krieg mit der «silbernen Nahkampfspange» Ausgezeichnete im Alter von 87 Jahren: «Mein Körper hat mir zu gehorchen, und das tut er, weil er nichts zu sagen hat.» Ein Jahr später war er tot.

Über Erik Spiekermann berichtete Meerschweinchrenreport bereits hier und hier.

Fake-News oder die Lust am Betrug
von Herbert Lechner
Click to enlarge defakedly

Fake-News oder die Lust am Betrug
von Herbert Lechner
Click to enlarge defakedly

Herbert Lechner ist uns in den vergangenen Jahren mehrfach durch seine exellenten Vorträge auf der QVED (Quo Vadis Editorial Design) in der Alten Kongresshalle in München aufgefallen. Im «Schwarzdenker» gibt er uns einen kurzen Abriß über die Faszination an Fake-News in allen Formen und Farben und zieht hierfür ein illustratives Zitat von Christiane Meixner in der ZEIT heran: «Das Publikum steht staunend vor den Fake-Motiven und applaudiert – statt ins Museum zu jenen Originalen zu gehen, die Beltracchi überhaupt erst auf die Idee gebracht haben.» Dieses Zitat ist inhaltlich nicht ganz treffend, da Wolfgang Beltracchi lediglich im Stile des jeweiligen aus seiner Sicht zu fälschenden Künstlers gemalt hat. Er hat die Bilder nicht kopiert. Er hat zusätzliche Motive erfunden, oder Bilder kreiert, zu denen lediglich deren Bildtitel bekannt waren und die durch die Kriegswirren als verschollen galten bzw. immer noch als verschollen gelten. Von daher ist es durchaus angebracht, sich Beltracchis «Originale» zu betrachten. Und daß die von Frau Christiane Meixner ausgemachten Beltracchi-Claqueure nicht ins Museum gehen, um sich die Werke der von Beltracchi gefälschten Künstler in natura anzusehen, ist schlicht eine plakative Unterstellung. Nein, Herbert Lechners Essay ist lesenswert, ein schöner und unterhaltsamer Kurzstreifzug durch das Genre des Fälschens – wir haben lediglich ein Problem mit der notorisch ungenau arbeitenden ZEIT. Wir möchten diesen Youtube-Link empfehlen, der zu seinem Vortrag auf der «QVED» zum Thema «Die Abstraktion der Welt» führt.

Immer dasselbe – immer anders
von Peter Vetter
Click to enlarge examinedly

Den optimistisch stimmenden Schlußpunkt bildet in unserer Rezension Peter Vetter, der schreibt: «Schwarzdenker offenbart manchmal eine futurophobi­sche Haltung. Hier finden Sie optimistische Gedanken zur Zukunft der visuellen Kommunikation.» Er führt fort: «In den vergangenen Jahren habe ich mich neben meiner Design- und Beratungstätigkeit intensiv in der Ausbildung engagiert, (…) dies insbesondere, weil wir davon ausgehen, (…) dass beispielsweise 65 Prozent der Schüler, die heute eingeschult werden, einen Beruf ausüben werden, den wir noch gar nicht kennen. Meine Gedanken basieren auf der Erfahrung und dem Austausch mit jungen Menschen in Europa, Asien und Nordafrika.» Zur Grundlagenforschung in Designfragen greift Peter Vetter immer wieder auf ein Regal in seiner Bibliothek zurück: «In meiner Bibliothek gibt es ein Regal, in dem die Bücher versammelt sind, die mir viel bedeuten. Das sind unter anderen «Aesthetica» von Max Bense, «Ways of seeing» von John Berger, «Designing Design» von Kenya Hara, «analog und digital» von Otl Aicher, «Amusing Ourselves to Death» von Neil Postman, «Digitale Welt und Gestaltung» von Tomás Maldonado oder etwa «Zeichen» von Umberto Eco. Hier und da nehme ich eines dieser Bücher heraus, öffne es an einer beliebigen Stelle und lese etwas Überraschendes, denn nach Jahren verstehe ich anders als vorher und kann dadurch weitere neue Erkenntnisse gewinnen.» Das vorstehend dargelegte Geschepper zwischen Kurt Weidemann und Erik Spiekermann war in der Geschichte der Typografie nicht der einzige Clash of The Graphic Titans (klingt in englischer Sprache tatsächlich bedeutungsvoller). Peter Vetter: «So hatte ich Anfang dieses Jahres wieder einmal Paul Rands ‹From Lascaux to Brooklyn› in der Hand. Und zufällig bin ich auf das Kapitel ‹Jan Tschichold versus Max Bill› gestoßen. Es handelt sich um die Auseinandersetzung über unterschiedliche Auffassungen zur Typografie. Der berühmte ‹Typografiestreit der Moderne› (Gerd Fleischmann) fand 1946 statt. Max Bill beschimpfte Jan Tschichold wegen seiner Abkehr von der ‹Neuen Typografie› als Verräter. Aus heutiger Sicht stehen diese beiden Auffassungen für zwei gegensätzliche Ideologien. Genau auf diesen Aspekt geht Paul Rand ein und kritisiert dieses Denken, um dann festzuhalten, dass es ausschließlich um Qualität und nicht um Gestaltungsideologie geht.» Abschließend gibt er uns noch eine brauchbare Feststellung zur Frage, welchen Wert gute Gestaltung für ein Unternehmen haben kann, mit auf den Weg: «Unternehmen mit hoher Affinität zur Gestaltung steigerten in den vergangenen zehn Jahren ihren Wert um fast das Doppelte und vergrößerten sich gegenüber dem Durchschnitt um 57 Prozent.» Peter Vetters Website.

Unser Redaktionsfotograf wurde auch um einen Beitrag gebeten, schickte jedoch eine Absage, die dennoch ihren Weg ins Heft fand:

Ich mache hier nicht mit! –
von unserem Redaktionsfotografen Andreas Baier
Click to enlarge stubbornedly

Unser Schlußzitat haben wir Helmut Dietls großartigem Film «Rossini» entnommen: «Vom einst mächtigen Gebirge aus Leidenschaft und Liebe ist nur noch ein komischer Rest übrig, nichts Großes mehr – nur Sand im Getriebe: wie in den schlechtesten Komödien. Der alte Mief, alles geht schief, und die mörderische Frage, wer mit wem schlief, löst sich in Wohlgefallen auf.»

***
Sensibles Thema. Deshalb keine Kommentarmöglichkeit.
***

Das große Corona Gewinnspiel (1)

11 Apr

Click to enlarge statistcatedly ***

Wen oder was stellt dieses statistische Schaubild dar?

a) Die Corona-Infektionsrate läßt nach.

b) Die Corona-Infektionsrate nimmt zu.

c) Einen homöopathischen Urintest.

d) Ich weiß nicht, dazu müßte ich erst mal alle Sorten durchprobieren.

e) Der Test ist mir zu unheimlich, es fehlen Grün-, Pink, Blau- und Himmelstöne, das gefällt mir nicht.

f) Wieso ich? Ich war seit Wochen nicht mehr vor der Tür.

 

***
Rettet die Wale. Deshalb keine Kommentarmöglichkeit.
***

Der kanadische Feuerhund: «Memoiren eines außergewöhnlichen Vierbeiners mit drei Nasenlöchern»

7 Apr

Der kanadische Feuerhund
von Alba von Magenfein
Click to enlarge spacedogedly

Ursprünglich von kanadischen Leichtlaufindianern zur Unterstützung beim Feuermachen und der begrenzten Ölförderung gezüchtet, ist diese bemerkenswerte Hunderasse seit der Einführung von Fracking und Dieselfahrverboten etwas in Vergessenheit geraten. Dank modernster Chappitechnologie ist es jedoch erstmals möglich, die Geschichte eines Hundes in gleichermaßen authentischer wie auch faszinierender Ich-Persepektive vorzulegen. Den Erzähler Alba von Magenfein, nach unüberbrückbaren Differenzen mit seiner Köchin dem Hause der Herzogin von Clustermonty entflohen, zieht es zurück zu seinen historischen Wurzeln: den Wäldern am Fuße der Rocky Mountains Kanadas. Dort kommt er zur Besinnung, reflektiert über seine glückliche Kindheit, erinnert sich an das bekannte Kindergartenlied, das man ihm und der genetischen Gesamtkonstruktion seiner baugleichen Artgenossen gewidmet hat: «Ich bin ein kleiner Hund mit Dreilochnase || Ich fühle mich gesund, lebe wie ein Hase || Doch manchmal wird es mir zu bunt || Wie eine Kuh sodann ich grase || Ich bin ein kleiner Hund mit Dreilochnase».

Das macht automatisch ein wohligwarmes Gefühl in der Magengegend und Appetit auf gut gewürzten Grizzly-Braten. Hier trifft er auch auf Häuptling Chiptschap (in seinem früheren Leben Lehrstuhlinhaber an der «Paritätischen Bildungsgesamthochschule NRW» für sozialverträgliches Kaugummikauen), mit dem er ein hammereskes Abenteuer nach dem anderen durchlebt. So erläutern sie langbärtigen Großstadthipstern den Sinn des Lebens, basteln aus deren Scheck- und Kreditkarten laichbereite Lachsdamen, binden den coolen Teilzeitaussteigern selbstgefertigte Sprengstoffgürtelatrappen um ihre schlappen Lendenlappen und fordern sie auf, sich damit pünktlich zu den Achtuhrnachrichten artgerecht in die Luft zu jagen.

Um die exemplarisch sperrige Erlebniswildniswelt unserer beiden Protagonisten für die Leser so selbsterfahrerisch wie irgend möglich aufzubereiten, ist der in japanischer Pinselstrichschreibweise verfaßte Text zusätzlich ganz bewußt mit ausreichend filen ortografisches und gramatikalichent Velern umsichtig ausgestattet. Schließlich sollen sich gerade die Schwächsten in unserer Gesellschaft beim Lesen nicht ausgegrenzt und diskriminiert fühlen. In aufgeklärten Kreisen gilt das in die Haut sich streng vegan ernährender Wildschweine eingenähte Buch als exquisites Lesevergnügen der Extraklasse für die gesamte Familie. Auch die Geschäftsführerin des veröffentlichenden Verlages «Pisa Publishing Group», Claudia Roth (selbst leidenschaftliche Analphabetiker*in), erklärt tränenüberströmt: «Wer nach dieser herzergreifenden Lektüre nicht selbst Hu(ü)nd*in sein möchte, dem ist ohnehin nicht mehr zu helfen».

Fazit: 365 Seiten, die Sie nach Lektüre so schnell nicht mehr vergessen werden – insbesondere wenn Sie dabei auch den Kaufpreis von 365,- € im Blick haben. Aber er lohnt sich! Unsere Leseempfehlung: Pro Tag immer nur eine Seite für nur je 1,- €. Und sollten Sie gerade mit dem Rauchen aufgehört haben, so sparen Sie bei dieser Vorgehensweise alle 24 Stunden je nach Zigarettenmarke und Verpackungseinheit immerhin zwischen drei bis fünf Euro. Letztlich eine klassische Win-Win-Situation. Und darauf kommt es unserem Autoren Alba von Magenfein seit jeher ganz besonders an.

***
Rettet die Wale. Deshalb keine Kommentarmöglichkeit.
***

Corona-Zitate

4 Apr

«Die vor dem Feinstaub gerettete Menschheit stirbt am noch feineren Staub viraler DNA – die Evolution hat wirklich Humor und kennt keine Gnade mit dem aufgeblasenen Ego notorischer Weltretter. Der Rettungswagen, der einen kollabierten Umweltaktivisten mit Dieselkraft in die Notaufnahme bringt, wo mit Braunkohle produzierter Strom die Infusions-Apparate und Beatmungsmaschinen betreibt, ist eine treffende Satire auf wohlstandsverblödete Problemsucher.»

Quelle: Roger Letsch, Webdesigner, auf dem Blog Unbesorgt.de, dem «Institut für Meinungsvielfalt & politischen Exorzismus», am 14. März 2020.

***

Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen) in einem ZEIT-Interview am 28. März 2020: «Das Gerede davon, dass der durch Corona bedingte Einbruch der Wirtschaft dem Klimaschutz hilft, teile ich überhaupt nicht. Das ist eine zynische Argumentation. Es geht jetzt vor allem darum, Menschenleben zu retten und die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie in den Griff zu bekommen».

Quelle: ZEIT-Interview mit Anton Hofreiter.

***
Rettet die Wale. Deshalb keine Kommentarmöglichkeit.
***