Lange schon war unser Redaktionsteam nicht mehr so aufgeregt, wollten doch schließlich die vielen, vielen weltweit sich im Einsatz befindlichen Strandkörbe ein Zeichen setzen – und den Klimawandel endlich und ganz ultimativ verbieten.
Das Foto zeigt die uns vorauseilende Maschine, die, da durch ein sehr starkes Teleobjektiv aufgenommen, den Eindruck erweckt, als habe sie sich bereits dem Mond gefährlich, weil klimawandelbegünstigend, genähert, was aber – Glück im Unglück – nur eine optische Täuschung darstellt.
Kurz nach der Landung wird die Entschlossenheit, mit der die internationalen Strandkorbdelegationen angereist sind, mehr als überdeutlich: Die Neuseeländer fahren gleich zu Beginn scharfe Geschütze auf: Sie haben temporär das Erscheinungsbild einer Schafherde angenommen. Ihre unmißverständliche Botschaft: Hier wird notfalls um jeden Grashalm gestritten – und schon gar nichts verschenkt.
Der Freitagabend ist von den Veranstaltern eigentlich als zwangloses und gemütliches «Get together» geplant, allerdings macht ihnen das kühle – ja fast eisige – Klima zwischen den angereisten Delegationen einen gehörigen Strich durch die empfindliche Rechnung.
Selbst die wenigen menschlichen Hilfsmitarbeiter, die sich spontan auf die Strandkorbparty zubewegen, um ihre vermittelnden Dienste anzubieten, dürfen die zweispurige Trennungslinie nicht überqueren.
Auch die Bemühungen der Grenzpatrouille, die frostige Stimmung mit warmtemperaturigen Lichtstrahlern aufzubessern, bringt keine nennenswerten Erfolge: Im großen und ganzen herrscht Schweigen im Strandkorbwalde.
Erst am nächsten Tag kommt etwas Bewegung in die Buden. Die, die für die Herbeiführung einer künstlichen Erkältung unseres Planeten sind, zeigen sich verschnupft und blaugestreift; und die, die für Wiederaufforstung der tropischen Regenwälder sind, leuchten belehrend grüngestreift. Allerdings ist die Menge der noch Meinungslosen in ihrer Anzahl unübersehbar dominant.
Hier möchte das Meer bei der adäquaten Meinungsfindung helfend unter die Arme greifen: Es zeigt sich ganz in hellem Blaukleid, was gleichbedeutend mit «Hey Jungs, was habt Ihr? Es ist doch alles in bester Ordnung!» ist. Und das Meer wird es ja wohl schließlich wissen.
Für die Mittagspause wird immerhin ein me(e)(h)rheitsfähiger Beschluß herbeigeführt: Es sollen sich alle Strandkorbdelegierte zum Zwecke der kurzfristigen geistigen Zerstreuung eine Folge «hr2 – Der Tag» anhören; und zwar in der heruntergeladenen Podcastversion zum Thema «Fälschen bis der Sammler kommt – Wozu noch Originale».
Was als gut gemeinter Approach zur Steigerung des allgemeinen Konferenzklimas gedacht ist, entpuppt sich jedoch als Sprengsatz mit GAU-Qualitäten: Es dauert nicht lange und jeder wirft jedem vor, fremde Meinungen zu äußern; jede wirft jeder vor, ihre Schwangerschaften gefälscht und bei anderen abgeschrieben zu haben. Plötzlich taucht aus den Tiefen der karierten und gestreiften Meinungsvielfalt Daniel Buren auf, der jedoch sofort im Blitzlichtgewitter untergeht. Das Gerücht geht um, alle Strandkörbe seien keine Originalarbeiten von Daniel Buren – was Konsequenzen haben müsse.
Als dann noch von einigen unbeugsamen Konferenzteilnehmern bemängelt wird, daß in der Podcastsendung überhaupt nicht über den seltsamen Kunstkritiker und Expertisenaussteller Werner Spies reflektiert wurde, und daß die Rolle Heinrich Lübkes als Architekt und Möglichmacher des Tragens gestreifter KZ-Häftlingskleidung in besagter Sendung ebenfalls nicht durchleuchtet worden sei, steht die gesamte Konferenz Kopf und kurz vor dem Abbruch.
Wie gut, daß die Sonne ein Einsehen hat und die einmal mehr in eisige Gesprächsstarre verfallenen Klimakonferenzlinge mit wohltuender Wärme versorgt, was überraschenderweise auch dazu führt, daß Kinder, die in den Konferenzbereich eingedrungen sind, toleriert werden. Aber ist das Problem damit gelöst? Oder sollte man Daniel Buren nicht einfach mal den Amerikanern ausliefern? Allein schon aus Prinzip? Oder ist Wärme vielleicht doch nicht so schlecht? Dem Grunde nach besteht noch ausreichend Gesprächs- und Diskussionsbedarf.
Ein Blick zurück (und ins Standkorbdelegiertenmuseum): Vergleicht man die heutige Situation mit der von vor achtzig Jahren, so ist doch nicht zu übersehen, daß die starre und unverrückbare Grundhaltung der Strandkorbdelegierten im Laufe der Jahrzehnte «weicher» geworden ist. Früher gänzlich aus Beton genormt und geformt sind sie heute doch um einiges flexibler und verhandlungsbereiter geworden. Rechts unten im Bild: Zwei Standkorbdelegiertenmuseumswärter absolvieren ihren Rundgang durch die Reihen der Betonstrandkorbdelegierten.
Die Arbeit des Chiropraktierteams zeitigt Erfolge: Verkrampfungen werden dadurch gelöst, indem die Strandkörbe kurzerhand in den Wind gehängt und skeletttechnisch mal ordentlich «durchgeblasen» werden. Hier in einer ausgiebigen Einzelsitzung.
Na bitte! Es geht doch: Zwar scheint die Zahl derer, die für die Herbeiführung einer künstlichen Erkältung unseres Planeten sind, zu steigen, aber der Schein trügt, da inzwischen ein Beschluß herbeigeführt wurde, der besagt, daß Blau nicht mehr im Sinne von Blau zu deuten sei. Ein erster wichtiger Erfolg für den Sieg der sich abzeichnenden «Großen Mitte». Der Sonnenuntergang tut sein übriges.
Zwei Reiserouten, weiß wie Reis,
Kreuzen sich im blauen Felde.
Geschwindigkeit, so heißt das Gleis:
Es geht ums gute Gelde.
Dies, so seys, ist prima Sache.
Aber auch der Ruhe sei bedacht.
Damit von Last befreit ein jeder Drache
Sein kraftvoll Feuer neu entfacht.
So sind Kraft und Pause,
Lila süß in Bernsteinzimmern
Überall zu Hause:
Befleckt mit Freudenschimmern.
Das Blau ist nun gänzlich verschwunden, es existieren nur noch Grün und Rot und Gelb und eigentlich ist den Strandkorbdelegierten immer mehr alles egal, weil «the man next to you is your brother» und «das Leben ist so schön» und «Eile mit Weile» und «Wie wichtig nehmen wir uns eigentlich, daß wir glauben, wir wären in der Lage, Kraft unseres Handelns das Klima nachhaltig zu beeinflussen?» und überhaupt… und so verwundert es nicht weiter, das Themen wie beispielsweise «Fußgängerreflexzonenmassage» immer mehr an Bedeutung und die Oberhand gewinnen.
Alle Strandkörbe bekräftigen beim obligatorischen Abschlußgruppenfoto, daß sie sich nächstes Jahr wieder treffen sollten und zukünftig «mehr Komfort für alle» bieten möchten – und daß eigentlich alles ganz schön ist, sogar dieses seltsame Schwarzweißwetter der letzten Tage.
Und was ist ein gutes Schwarzweißfoto? Das ist ein gutes Schwarzweißfoto. Alles drin: Beweglichkeit, Kraft, Ausdauer, Optimismus und natürlich auch der Aspekt der Versöhnung (Zwei Flugzeuge kommen aufeinander zu).
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Sensibles Thema. Deshalb keine Kommentarmöglichkeit.
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Tags: greenpeace, Klimawandel, Wangerooge, WWF
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