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Wahl-O-Mat Perfekt: «FUD – Fracture Union Deutschland»

17 Sep

Es gibt Parteien, die sind so mainstreaming, daß man sie bei Aufrechterhaltung eines vorstehend noch zu implementierenden Lese- bzw. Verständnisfehlers als hypercremiges Haarshampoo – oder vielleicht auch als semileckeren Brotaufstrich – im sorgfältig gepflegten Eigenheim zart unsynchronisiert zum Einsatz bringen kann.

Dann gibt es aber bekanntermaßen auch Parteien, wie etwa die «Volksfront von Judäa» bzw. die «Judäische Volksfront» oder aber – nicht ganz soo antiquiert – Patienten, pardon, Parteien wie die «Allianz für Menschenrechte, Tier- und Naturschutz (Tierschutzallianz)», die «Partei für die Tiere Deutschland», die «Partei Mensch Umwelt Tierschutz», die Partei «Aktion Partei für Tierschutz» und – nicht zu vergessen – die subtil an den V8-Gemüsesaft erinnernde «V-Partei³ – Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer». Soo viel dezidierter Kleintier- und hirnschutz war nie, wenngleich sich durch letztgenannte Partei Vulkanier höchstwahrscheinlich ausgegrenzt und dadurch diskriminiert fühlen dürften. Hier ist der Bundeswahlleiter gefragt.

Waren es im Jahre 2013 37 Parteien und 2017 schon 42 Parteien, die sich um die Gunst des Wählers bemühten, so sind es 2021 bereits 47 Parteien. Diese Menge an individueller Ausdruckskraft bei gleichzeitig gewachsenem Verständnis für das spachlich nicht immer ganz einfach abgefaßte Parteiengesetz der Bundesrepublik Deutschland ist beeindruckend – und dürfte auch erklären, warum das «Yps-Heft» mittlerweile ausdient hat.

Umso konsequenter sind dann Parteien, die sich im Interesse der jungfräulichen Reinhaltung des Demokratiegedankens gar nicht erst zur Wahl stellen. Eine dieser Edelritterparteien ist die «FUD», die «Fracture Union Deutschland»:

Ihre Kernthemen sind «Landwirtschaft», «Bankwesen» und «Verteidigung», weil es sich hierbei laut Aussage des amtierenden Parteivorsitzenden Prof. Steel um die drei zentralen Säulen handelt, die unser aller Gemeinwohl uneigennützig stützen. Nach seinem landwirtschaftlichen Studium der metallverarbeitenden Industrie weiß Prof. Steel nur zu genau um die gesundheitsfördernden Aspekte solarbetriebener Bodenmelkmaschinen, deren erz- und mineralienreiche Milch schon manchem zukünftigen Nobelpreisträger in der Schule das Kopfrechnen sowie das Pauken von Lateinvokabeln sichtlich erleichterte.

Der für das Bankwesen zuständige Dr. Branko Deštructović ist kein Freund von Hintertüren, weshalb er sie in seinem bisherigen Wirkungsbereich katholiken- und kernkompetenzgerecht zumauern ließ. Persönlich bevorzugt er ausschließlich den Zutritt zu einem Gebäude über eine eigens mitgebrachte Hebebühne, «schließlich sey dies», so Dr. Deštructović, «dem jeweils festlichen Rahmen angemessen». Als Geniestreich gilt in Fachkreisen bis heute, daß es ihm gelang, beinahe allen maßgeblichen Bankvorständen die «Abschaffung des Sicherheitspersonals aus Kostengründen» schmackhaft zu machen. Dafür, daß kurz danach das Parteivermögen wie von Geisterhand zu beinahe astronomischer Größe heranwuchs, macht Dr. Branko Deštructović nicht etwa seine vorerwähnten Sicherheitsberatungen in erlesenen Bankerkreisen verantwortlich, sondern vielmehr «die Verkettung einer Reihe von unglücklichen und höchst bedauernswerten Zu- bzw. Zwischenfällen».

Der unmißverständliche Verteidigungsminister im Schattenkabinett der FUD ist kein geringerer als Milan Smilerow. Spätestens als er im Frühjahr 1968 aus dem Uterus seiner Mutter eine funktionstüchtige Raketenabschußrampe bastelte und sich mittels dieser in die langersehnte Freiheit katapultierte, wurde der restlichen Welt schlagartig klar, worauf sie sich bei ihm würde einstellen müssen. In der Schule pflegte er zum Entsetzen des für ihn zuständigen Lehrpersonals kaltlächelnd Kreidestücke nur mit dem Daumen durch die grüne Tafelwand zu drücken, und zwar so, daß sie auf der anderen Tafelseite unbeschädigt wieder zum Vorschein kamen. Nein, Milan Smilerow ißt keinen Honig, er kaut Bienen.

Kenner der deutschen Musikszene wissen, daß es eine ebenso angesagte wie wirkmächtige Heavy-Metal-Band namens Fracture gibt. Eingehende Recherchen der Meerschweinchenreportredaktion haben jedoch ergeben, daß zwischen der Partei FUD und der Musikband keinerlei Zusammenhang besteht. Schade eigentlich.

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Winston Churchills exklusiver Ratschlag an die Bloggergemeinde: «Pinguine mögen weder Klimawandel, Eisbären noch Kommentarmöglichkeiten. Deshalb sind – bis auf die Pinguine – alle anderen Features zu deaktivieren.»

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Fred Thieler: «Komposition B I/71»

12 Oct

Fred Thieler: «Komposition B I/71»
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In der Edition «gut gewählte Sammlung» der Galerie Baier erschienen Anfang 1971 auch zwei großformatige Lithographien des 1999 im Alter von 83 Jahren in Berlin verstorbenen Künstlers Fred Thieler, jeweils in einer Auflage von 100 Stück.

Schon früh lag Fred Thieler mit den Nazis über Kreuz. 1941 wurde er aus dem Heeresdienst entlassen, ging in München in den Untergrund, wo er mit dem Umfeld der «Weißen Rose» und dem Widerstandskämpfer und Künstler Mac Zimmermann zusammenarbeitete. Zudem holte er seine jüdische Mutter auf konspirativem Wege zu sich und brachte sie unbeschadet durch die Kriegswirren. Last but not least beherbergte er einen im Februar 1945 aus der Nürnberger Militärstrafanstalt geflohenen Häftling.

Die Sammlerin Gabriele Baier-Jagodzinski Anfang der 1970er Jahre
vor einem Gemälde des Künstlers Fred Thieler
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Fred Thieler gehört jener Künstlergeneration an, die nach dem Krieg zunächst mit erheblichen Orientierungsproblemen zu kämpfen hatten, zumal die Amerikaner keine Gelegenheit ungenutzt ließen, die übriggebliebenen Eingeborenen des ehemals Großdeutschen Gesamtreiches auch die Hervorbringungen ihrer eigenen Künstlereliten näherzubringen. Dennoch: 1959 nahm er an der «documenta II» und 1964 an der «documenta III» in Kassel teil. Er gehört neben Emil Schumacher, Gerhard Hoehme und Karl Fred Dahmen zu den bekanntesten Künstlern des deutschen Informel.

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Arnulf Rainer: «Zyklus Wahnhall – ‹Glut und Asche› und ‹Soin›»

10 Oct

Arnulf Rainer – Zyklus Wahnhall «Glut und Asche»;
Folienlithographie
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Es grenzt beinahe schon an ein medizinisches Wunder, daß sich der österreichische Künstler Arnulf Rainer mit seinen nunmehr knapp 91 Jahren bester Gesundheit erfreut. 1967 schrieb er in einem seinen Zyklus «Wahnhall» erläuternden Begleitblatt: «Handbeschriftete Mappe mit 20 Folienlithographien 37cm x 54cm, gedruckt auf Dreistern-Zeichenkarton, entstanden im Jahre 1967 in Berlin und Wien; unter Hilfe von Drogen, Augenbinde und Alkohol.» Beleg nachfolgend:

Arnulf Rainer – Begleitschreiben Mappenwerk «Wahnhall» 1967
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Ihre ganz persönliche Meerschweinchenreportredaktion findet, daß diese wenigen Zeilen die Gründe sowohl für den formalen als auch inhaltlichen Entstehungsprozeß des hier gegenständlichen Gesamtmappenwerkes für jeden Kunstinteressierten nachvollziehbar machen.

In den Jahren 1953 bis 1959 lebte Arnulf Rainer zurückgezogen in einer möbellosen, verlassenen Villa seiner Eltern in der Nähe von Wien. Dort begann er die Werkgruppe der Reduktionen, die als Vorstufe seiner weltberühmten Übermalungen gilt. 1961 wurde Arnulf Rainer in Wolfsburg wegen der öffentlichen Übermalung eines prämierten Bildes gerichtlich verurteilt. Ab 1963 arbeitete er in verschiedenen Ateliers in Westberlin, München und Köln. 1974 sollte ihm der «Kunstpreis der Stadt Wien verliehen werden, da er jedoch eine Teilnahme an der Preisverleihungszeremonie verweigerte, wurde ihm der Preis wieder aberkannt. 1977 nahm er an der «documenta VI» teil, ein Jahr später vertrat er Österreich bei der Bienale von Venedig.

Arnulf Rainer – Zyklus Wahnhall «Soin»;
Folienlithographie
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Abgesehen vom jeweiligen Sujet beeindruckt besonders Arnulf Rainers entspannter aber zugleich präziser Strich, der im übertragenen Sinne irgendwo zwischen Henri Matisse, Jean Cocteau und Joseph Beuys (bei Letztgenanntem bezieht sich diese Aussage ausschließlich auf seine Zeichnungen) zu verorten ist – wohlgemerkt: im übertragenen Sinne.

Wir wären wahnsinnig, würden wir uns weiterführend an diesem genialen Geist versuchen. Schauen Sie am besten einfach selbst.

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Fritz Schwegler: Effeschiaden «Das Huter-Luder» und «Herr Berges»

10 Oct

Fritz Schwegler: Effeschiade «Das Huter-Luder»,
Öl und Wachsmalkreide auf Papier,
auf Hartfaserplatte aufgeklebt; 120cm x 80cm

Der 2014 im Alter von 79 Jahren verstorbene Künstler Fritz Schwegler erhielt 1973 eine Dozentur für «Plastische Grundlehre» an der Kunstakademie Düsseldorf, ab 1975 zunächst eine Professur für Malerei und ab 1987 eine Professur für Bildhauerei, die bis 2001 andauerte.

Fritz Schwegler wurde sowohl 1972 auf der «documenta V» als auch 1987 auf der «documenta VIII» in Kassel ausgestellt. Vertreten wurde er von der angesehenen Avantgarde-Galerie Schmela.

Fritz Schwegler: Effeschiade «Herr Berges»
Öl und Wachsmalkreide auf Papier,
auf Hartfaserplatte aufgeklebt; 120cm x 80cm

Von 1969 bis 1974 entstand sein Werkkomplex «Effeschiaden», dessen Namen Fritz Schwegler von seinen Initialien «F» und «Sch» ableitete. Die Effeschiaden stellten eine Erweiterung seiner «Urmotive» dar und bestanden aus einer Bild-Text-Anordnung auf Schreibpapier im DIN-A4-Format. Jedes Blatt zeigt in der oberen Hälfte ein Objekt oder eine situative Konstellation, die auf der unteren Hälfte mit einem handgeschriebenen Text kombiniert wird. Als Fritz Schwegler erkannte, daß die Ausstellungsbesucher seine Texte nicht lasen, verwandelte er sich Anfang der 1970er Jahre zu einer Art Bänkelsänger, der im rituellen Gesang, begleitet von Flötenspiel, Gesang, Schweglerpfeife und Glocke über Moritaten berichtete und auf seine Schautafeln verwies.

Bei den beiden oben abgebildeten Arbeiten handelt es sich um zwei dieser Unikat-Schautafeln, nämlich «Das Huter-Luder» und «Herr Berges». Obwohl Fritz Schwegler wie ein Berserker produzierte, sind seine Effeschiaden auf dem Kunstmarkt rar und werden von Sammlern gesucht.

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Wolfgang Schmidt: «serie 23 (9 aus 15)»

10 Oct

Wolfgang Schmidt: «serie 23 (9 aus 15)»; Siebdruck in 3 Farben, 9 Elemente je 42cm x 42cm; Gesamtgröße ca. 130cm x 130cm Auflage 10 Exemplare, 1967

Der erste Absatz des Nachrufs auf Wolfgang Schmidt auf der Vitsœ-Website lautet: «Wolfgang Schmidt (1929-1995) galt als chaotischer Student – auch wenn seine klaren und präzisen Entwürfe das Gegenteil bezeugen. Ein Freund aus der damaligen Zeit, Hans Hillmann, erinnert sich, daß Schmidt einen Winter lang seinen Mantel zuhalten mußte, weil er alle Knöpfe verloren hatte: ‹Verblüffend für uns war, daß das Endergebnis, die fertige Grafik, die er uns dann zeigte, inklusive luxuriös breitem weißem Papierrand absolut makellos war, ohne ein Stäubchen, es sei denn, er hätte es dahin geplant.›»

In der Tat: Zwar folgte für ihn einerseits die Form immer der Funktion, andererseits steckte er seine ganze Ordnungs- und Schaffenskraft in die Umsetzung seiner Projekte. Die karge, beinahe spartanisch zu nennende, Einrichtung seiner privaten Wohnräume bestand im wesentlichen aus von ihm entworfenen Multifunktionsmöbelelementen – selbstverständlich in der Farbe Schwarz –, die sich von einem Bett in einen Schreibtisch verwandeln ließen.

Im Jahre 1964 wurde Wolfgang Schmidt mit einigen Arbeiten zur Teilnahme an der «documenta III» in Kassel in der Abteilung Grafik berufen. Neben Vitsœ arbeitete er u.a. auch für den Buchhändler und Verleger Wendelin Niedlich, die Künstlerin Vera Röhm und die Stadt Frankfurt, für die er u.a. das Farb- und Wegeleitsystem der U-Bahn erarbeitete.

Ab 1962 bis 1969 arbeitete er auch für die Mainzer Galerie Baier (Die Galerie) sowie das ein Jahr später in der Alexander Baier Presse erschienene Magazin «Kunst», das spätere «Magazin KUNST», welches IVW-geprüft bis tief in die 1970er Jahre hinein das auflagenstärkste Magazin für zeitgenössische Kunst im deutschsprachigen Raum war. Er entwickelte das Erscheinungsbild des Magazins, übernahm zunächst alle zwei, später alle drei Monate die komplette Gestaltung jeder Ausgabe und kreierte Signet sowie Anzeigen für den an den Verlag angeschlossenen Grafikkreis gut gewähte Sammlung. Auf issuu sind seine Arbeiten für das «Haus Baier» einsehbar.

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Vorstehend: 1) Briefbogen für das Magazin «Kunst»(oben links); 2) Vitrine mit Arbeiten von Wolfgang Schmidt für Alexander Baier Presse zur Ausstellung «100 Jahre Typographie Frankfurt» im «Museum Angewandte Kunst Frankfurt» (unten links); 3) Titelbild des Magazins «Kunst» zum Thema «Happening», das auch in der Ausstellungsvitrine zu sehen ist (oben rechts); 4) Titelbild des Magazins «Kunst» im Online-Magazin der «Schirn» zum Thema «German Pop Art», das ebenfalls in der Ausstellungsvitrine zu sehen ist (unten rechts).

Wolfgang Schmidt 4 Titelblätter für Magazin «Kunst»; Click to enlarge enlargedly

Vorstehend (von links oben nach rechts unten): 1) Heft 2 «documenta III»; 2) Heft 34 «Kunst und Kritik – Wiesbaden/Wuppertal»; 3) Heft 3 «documenta III – Teil 2»; 4) Heft «Neuer Preis: DM 5,- || Horst Janssen, fotografiert von Thomas Höpker».

Ausstellung Wolfgang Schmidt in der Mainzer Galerie Baier (Die Galerie) im Jahre 1964 (Fotos: Abisag Tüllmann)

Vor seinem Tod im Jahre 1995 galt Wolfgang Schmidt als spurlos verschwunden. Gute Freunde übernahmen in der Hoffnung, er würde eines Tages wieder auftauchen, während seiner jahrelangen Abwesenheit sämtliche Kosten für den Erhalt seiner Atelier- und Wohnräume. Später stellte sich heraus, daß er – unheilbar an Multipler Sklerose erkrankt – in seiner grenzenlos bescheidenen Art niemandem zur Last fallen wollte und sich so klammheimlich in eine Pflegeeinrichtung in der Nähe seines Geburtsortes Fulda zurückzog, wo er von allen unbemerkt am 8. März verstarb.

Wolfgang Schmidt gilt in Kennerkreisen neben Anton Stankowski und Max Bill zu den wichtigsten Vertretern der konstruktiven bzw. konkreten Kunst, die zugleich keine Scheu vor der Gebrauchsgrafik hatten.

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Aufklärerischer Gesamtexpressionismus: «Zivilist schießt sich versehentlich aus Kampfjet»

30 Jun

Description of a tragic Accident Part 1

Diese beiden Grafiken der BEA-E (Grafik 1 und Grafik 2) zeichnen die Sekunden bis zum Auswurf des Passagiers durch Schleudersitzbetätigung kurz nach dem Start aus der «Rafale» sorgfältig nach.

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Am 29. März 2019 startete auf dem Luftwaffenstützpunkt Saint-Dizier-Robinson in Ostfrankreich ein vom französischen Luftfahrtkonzern «Dassault» gebauter doppelsitzige Kampfjet vom Typ «Rafale» routiniert zu einem Orientierungsflug. Auf dem Rücksitz des Fighters befand sich ein (noch halbwegs orientierter) 64-jähriger Zivilist, dem Arbeitskollegen dieses «ganz besondere Erlebnis» zum Geburtstagsgeschenk gemacht hatten, dem er jedoch kritisch, um nicht zu sagen, hinreichend gestresst gegenüberstand.

Es muß dieser besondere Spezialmix gewesen sein, bestehend aus Nervosität, ungenügender Flugvorbereitung (schließlich sollte der Trip bis zum Schluß eine Überraschung bleiben), einer unzureichenden ärztlichen Flugtauglichkeitsvoruntersuchung, dessen Ergebnis nicht dem verantwortlichen Kampfjetpiloten zur Kenntnis gebracht worden war (keine negative g-Belastung!) sowie eine mangelhafte Unterweisung in Sachen Dresscode, infolgedessen beim Start das Helmvisier unseres gänzlich unbegeisterten Flugbeschenkten hochgezogen, seine Anti-g-Hose schlecht saß, Helm und Sauerstoffmaske nicht befestigt sowie die Sitzgurte viel zu locker waren, der wohl erheblich dazu beitrug, daß unser Protagonist kurz nach Ableben, pardon, Abheben des Düsenjets in einem Anstellwinkel von beinahe entspannt zu nennenden 47 Grad nach oben und der damit einhergehenden Belastung von plus 4g sowie der sich daran anschließenden Negativbelastung von minus 0,6g als Folge einer Verlangsamung des Steilfluges ziemlich genau das tat, was sich im nun vorliegenden Untersuchungsbericht der BEA-E wie folgt liest: «Als der unzureichend angeschnallte und völlig überraschte Passagier die negative g-Belastung bemerkte, hielt er sich am Auswurfgriff fest und aktivierte damit unbeabsichtigt den Schleudersitz.»

Description of a tragic Accident Part 2

Diese beiden Grafiken der BEA-E (Grafik 1 und Grafik 2) zeichnen die Sekunden bis zum Auswurf des Passagiers durch Schleudersitzbetätigung kurz nach dem Start aus der «Rafale» sorgfältig nach.

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Bei diesem ungeplanten Spontanausstieg verlor unser Zivilist im Rentenalter laut BEA-E neben Orientierung auch noch seinen Helm, seine Sauerstoffmaske sowie kurz sein Bewußtsein. Daß er am Ende seiner unfreiwilligen Flugbemühungen dennoch nur leichte Verletzungen davontrug, dürfte den engagierten Beistand eines Schutzengels nahelegen. Insbesondere auch deshalb, weil normalerweise beide Cockpitinsassen hinausgeschleudert werden, sobald nur einer von ihnen am Auswurfgriff zieht. Glücklicherweise klemmte der Pilotensitz jedoch, was einen Totalverlust der Maschine verhinderte. Diese Fehlfunktion versetzte den Piloten trotz leichter Verletzungen an den Händen, die vom Absprengen des Glasdachs herrührten, in die Lage, den Jet kurz nach dem Vorfall sicher zu landen und aus eigener Kraft zu verlassen, stets mit der Befürchtung im Nacken, der Schleudersitz könne doch noch unvermittelt auslösen.

Die komplette Geschichte ist en détail hier nachlesbar.

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«Deutschstunde» für Oliver Voss c/o Oliver Voss GmbH!

21 Jun

 Und wieder einmal bereichern und versüßen die Textprodukte aus der Startexterfeder Oliver Vossens die Wochenenden unserer Meerschweinchenreportleserinnen und Meerschweinchenreportleser.
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Oliver Voss! Wie Sie sich sicherlich noch erinnern können, haben wir uns für Sie vor ziemlich genau zehn Jahren extra viel Zeit genommen, um Ihnen, neben einigen Kreativlösungsvorschlägen, ganz einfache – also nicht sonderlich anspruchsvolle – grammatikalische Grundregeln zu vermitteln, die mit dem Gesamtpaket namens «deutsche Sprache» untrennbar verbunden sind. Falls Sie möchten, so können Sie hier nochmals Ihr Wissen vertiefen.

Aus welchen Gründen auch immer überkam uns vor ein paar Stunden die Frage: «Was macht eigentlich unser alter Weggefährte Oliver Voss?» So suchten wir Ihre Website auf und fanden u.a. Printmotive einer Ihrer Werbekampagnen für Die Welt – nun gut, ist auch schon ein bißchen her – aus dem Jahre 2013. Als fulminante Effie-Reaktion auf Ihre begnadete Kreativleistung belegte «Die Welt» im folgenden Jahr übrigens mit über 11% Auflagenrückgang unter den deutschen Tageszeitungen den mit einigem Abstand traurigen Spitzenplatz. Das hat «Die Welt» – um das klarzustellen – nicht verdient. Einerseits. Andererseits: «Die Welt» hat Sie schließlich beauftragt. Da gibt es nichts zu deuteln.

Es scheint uns zweckmäßig, Ihnen zunächst das vorzulesen, was wir (oben stehend) lesen mußten: «Die Welt gehört denen, die nicht lang fackeln, sondern für was brennen.» Nur zu Ihrer und unserer Sicherheit: das steht dort tatsächlich so geschrieben. Späteres Leugnen ist somit zwecklos. Abgebunden wird mit dem von Springer & Jacoby entwickelten Claim: «Die Welt gehört denen, die neu denken – Die Welt.»

Fällt Ihnen, oh Deutschlands Top-Textkreativer, eigentlich gar nichts auf? Nein? So rein wirklich nichts? Hm. Mal abgesehen von Ihrer ungelenken Ausdrucksweise ergibt das, was Sie da niedergeschrieben haben, keinerlei Sinn. Was Sie wohl am ehesten zum Ausdruck hatten bringen wollen ist anzunehmenderweise: «Die Welt gehört nicht denen, die lange fackeln, sondern denen, die mit Leidenschaft für etwas brennen.» Ist Ihnen aufgefallen, daß das kleine Wörtchen «nicht» einfach im Satzbau ein bißchen nach vorne gewandert ist? Gut! Möglicherweise wollten Sie sich – der nachfolgende Satzsinn soll hier für einen Moment unbeleuchtet bleiben – formal aber auch dahingehend artikulieren: «Die Welt gehört nicht denen, die nicht lange fackeln, sondern denen, die mit Leidenschaft für etwas brennen.» Sie bemerken die kleinen aber dennoch entscheidenden Unterschiede? Richtig: Die Verschwendung, pardon, Vewendung des Wortes «sondern» ist jetzt angebracht – in Ihrer Ursatzkonstruktion hingegen war sie das nicht. Oder, um es Ihnen in Ihrem Business-Sprech zu vermitteln: wenig bis gar nicht zielführend. Somit müßte Ihr ursprünglicher Satz also wie lauten? Genau: «Die Welt gehört denen, die nicht lange fackeln und für was brennen.» War es das, was Sie hatten «rüberbringen» wollen? Und, Herr Voss, da wir gerade beim Thema sind: «für was brennen»? Wasndas? Ihnen ist schon klar, daß Sie sich an die Leser der Tageszeitung «Die Welt» und nicht etwa des Leichtsprechblogs «Bento» wenden. Oder etwa nicht? Die Leser der Tageszeitung «Die Welt» sind es (noch) durchaus gewohnt, mit vollständigen Sätzen im korrekten Schriftdeutsch versorgt zu werden. Mehr noch: Sie sind es nicht nur gewohnt, sie erwarten ausschließlich nichts anderes.

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Der Text zu Ihrem zweiten Kampagnenmotiv lautet: «Die Welt gehört denen, die keine großen Worte machen, sondern klare». Sie merken selbst, daß es mit Ihren Textergebnissen nicht etwa besser, sondern immer seltsamer wird, n’est-ce pas? Man «macht» umgangssprachlich in der Tat «große Worte», aber keine «klaren», wenngleich man einen «Klaren» im Bedarfsfalle durchaus trinken kann. Man erteilt oder «macht» eine «klare Ansage»; man kocht oder «macht» eine «klare Hühnerbrühe» – notfalls sollte man sich auch keine «Illusionen machen» ob des eigenen mutmaßlich unklaren Sprachvermögens. Unser Textvorschlag zu vorstehendem Anzeigenmotiv: «Die Welt gehört allen, die eine klare Sprache zu schätzen wissen.» Alternativ: «Die Welt gehört jenen Argumenten, die mit einer klar definierten Durchschlagskraft ausgestattet sind.»

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Ihr drittes Kampagnenmotiv haben Sie folgendermaßen betextet: «Die Welt gehört denen, die lieber zu weit gehen als zurück». Tja, und das tut uns nun wirklich leid, denn wir haben – bezogen auf dieses eine Motiv – da ein paar 1a-schlechte-Nachrichten für Sie: «zu weit gehen» schreibt man in diesem speziellen Falle zusammen, nämlich so: «zuweitgehen». Zwar heben Sie mit dem Fernglas vordergründig auf eine zu überwindende räumliche Distanz ab, aber inhaltlich geht es Ihnen um den Journalisten, der auf den Putz haut, der auch mal mit Blick auf das Detail kräftig über das Ziel hinausschießt, der eben auch mal – genau: zuweitgeht. Darüber hinaus wollen in Ihrem Entwurf Text und Illustration so rein gar nichts miteinander zu tun haben. Nicht mal ansatzweise. Und überhaupt: Weshalb sollte sich Ihrer Meinung nach die Tageszeitung «Die Welt« eher an einen Menschen wie Donald Trump richten, der nachweislich tagtäglich meilenweit zuweitgeht, als beispielsweise an einen buddhistisch insichgekehrten Olympiasieger im Rückwärtsgehen – oder wenigstens an eine sich seitwärts Richtung Kochtopf fortbewegende Krabbe? Es soll ja Menschen geben, die nur deshalb Fan des Fußballclubs FC Bayern München geworden sind, weil sie ihr eigenes Leben als «schon kompliziert genug» einstufen. Und davon gibt’s nicht eben wenige. Wenn also bekannt ist, daß der Mensch nach bequemer aber dennoch intellektuell anspruchsvoller Einfachheit strebt: Warum machen Sie dann für Ihre textkonsumierende Zielgruppe die Informationsaufnahme unangenehmer und komplizierter als sie sein müßte? Und überhaupt: Muß dieses Motiv unbedingt sein? Falls ja: «Die Welt gehört denen, die früher bei der Stasi waren und heute Frau Merkel beim Machterhalt behilflich sind.» Ihnen ist aber schon klar, daß das so nicht geht, nicht? Unser Rat: Nehmen Sie dieses Motiv nachträglich aus dem Programm.

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Das vierte und für heute letzte der Ihrigen Kampagnenmotive von Welt klingt so: «Die Welt gehört denen, die ausbrechen, statt einzuknicken.» Sagen Sie mal, Herr Voss, haben Sie sich diese (Ihre) Illustration eigentlich überhaupt nur ein einziges Mal richtig angesehen, Sie alter Vogel(haben)spezialist? Welchen, ähm räusper, Content möchten Sie denn dem vermeintlich interessierten WELT-Leser schmackhaft machen? Was ist Ihre Botschaft? Daß der Kopf ein Käfig ist? Daß jeder Mensch, insbesondere jeder WELT-Leser, mindestens einen Vogel hat? Und selbst wenn: Seit wann ist das Gegenteil von «Ausbrechen» «Einknicken»? Das Gegenteil von «Ausbrechen» ist immer noch «Einbrechen», sei es in ein Gebäude oder in eine dünne Eisdecke. Bestenfalls käme «Einnicken» infrage, also wenn man z.B seinen eigenen Ausbruch verschläft. Meinten Sie das vielleicht? Und: Was soll das eigentlich alles mit «neuem Denken» zu tun haben? Wir wissen es nicht. Ohnehin scheinen Sätze, die Kommata enthalten, für Sie eine kaum zu bewältigende Hürde darzustellen. Warum versuchen Sie es zur Abwechslung und der Einfachheit halber nicht mal damit: «Die Welt gehört den freien Gedanken»? Zwar würde dadurch das hier in Rede stehende Kampagnenmotiv um keinen Deut kraftvoller ausfallen, aber immerhin wäre schon mal ein direkter nachvollziehbarer Bezug zwischen Illustration und Text hergestellt. Lachen Sie nicht, Herr Voss, gerade in der heutigen Zeit ist das oftmals eine nicht zu unterschätzende Leistung.

Der Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre macht im Hirn-Sagittalschnitt Werbung für «Die Welt» – mit Waschmittelpampe als Denkapparat. Gerade eher etwas konservativ eingestellte Leser fühlen sich von solchen Werbekniffen ungemein angesprochen und reagieren mit Abo-Kündigungen.

So, das sind zunächst unsere Eindrücke, ohne bisher weiterführend über diese Kampagne recherchiert zu haben. Unser Feedback entspricht also dem eines durchschnittlichen (Ex)-Welt-Lesers, der zum ersten Mal mit dieser Kommunikationsmaßnahme konfrontiert worden ist, sich so seine Gedanken macht und diese anschließend im Rahmen eines wohlmeinenden Briefes an Sie aufschreibt. Ja richtig: «Ex-Welt-Leser». Sowohl die «FAZ» als auch «Die Welt» haben wir vor ein paar Jahren abbestellt, weil wir als Leser informiert und nicht von Milchgesichtern belehrt und/oder erzogen werden wollen. Und schon gar nicht möchten wir von Menschen «zum Nachdenken angeregt» werden, denen mühelos anzusehen ist, daß sich in deren Köpfen im Laufe des Lebens so manches breitgemacht hat – aber noch niemals nur ein einziger klarer Gedanke. Ausdrücklich wird betont, daß Stefan Aust von dieser Kritik nicht betroffen ist!

Nun haben wir aber inzwischen doch ein bißchen nachgeschlagen und unsere Befürchtung, daß dies tatsächlich eine offizielle Welt-Kampagne war und somit von verantwortlichen Redakteuren der Welt-Redaktion freigegeben wurde, hat sich erschreckenderweise bestätigt. Das ist alles nicht zu fassen. Und wenn der nicht einknickende Ausbrechermensch mit dem Vogelkäfigkopf tatsächlich den Schriftsteller Henryk M. Broder symbolisieren soll: Warum wird uns das als Leser/Betrachter Ihrer Anzeige/Ihres Plakates zur Vermeidung von Mißverständnissen dann nicht auf gleichem Wege mitgeteilt? Warum nur glauben immer alle Marketing- und Werbefachleute nach Veröffentlichung ihrer vermeintlich unwiderstehlichen Neugier-Mach-Aktionen, daß alle 80 Millionen Republikeinwohner von nun an bis an das Ende ihrer Tage nichts anders mehr im Sinn hätten, als «unbedingt mehr über die Kampagne, das Produkt oder wasauchimmer erfahren zu wollen»? «Die Welt ist alles, nur kein Kindergarten» postulierte bereits der amerikanische Philosoph Mike Tyson am 28. Juni 1997 durch seinen herzhaften Abbiß des rechten Teilohrbereichs seines Dauerdenkerkontrahenten Evander Holyfield im Rahmen einer hinreichend rudimentär anmutenden Podiumsdiskussion über den Sinn des Lebens.

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Was wir uns abschließend fragen, Herr Voss: Denken Sie eigentlich hin und wieder darüber nach, ob Sie sich von Ihren eigenen Texten gelegentlich auch mal selbst angesprochen fühlen sollten? Aktuell meinen wir diese Zeilen: «Die Welt gehört denen, die schlau sind und nicht auf klug machen.» Wie schon Jean-Paul Sartre einst sagte: «Die Nähe ist die Basis des Ergebnisses».

Um diese kleine Manöverkritik jedoch noch zu einem halbwegs versöhnlichen Abschluß zu bringen: Diese anno 2011 in der Alster «badende Dame» im Look einer mutmaßlich frühen Veronika Claßen – echt nicht schlecht, Herr Specht. Vielleicht sollten Sie grundsätzlich die Finger vom Texten lassen und sich ausschließlich der reinen Visualisierung von Kommunikationsmaßnahmen widmen. Dafür scheinen Sie ja den entsprechenden Nerv zu haben. Kompliment!

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Chess Grand Master Bobby Fischer & Time Life Lobby Chair

17 May

It was the game of the game, the match of all matches: Bobby Fischer versus Boris Spasski in Reykjavik (1972). After fighting at the chess board; and even more beside of it, Bobby Fischer made it and made it and made it. He was the first American citizen who became Chess Woldcampion. He not only managed his way through the matches genially but developed and performed a special and highly personalised sort of psychological embracement with which he thrilled and demoralised Boris Spasski and his Russian delegation so successfully that only because of that, for the first time in history chess itself became a topic of international VIP-awareness. Sport journalists who didn’t know anything about chess at all were sent from all over the world to Reykjavik. The only information they were provided with: «At the moment chess the big thing!»

First only Bobby Fischer always used to sit in his Time Life Lobby Chair designed by Charles and Ray Eames as this picture above shows, on which he plays against Petrosijan who sits on a different kind of chair. Important part of Bobby Fischer’s habbit

his own because it was a special gift by a special Bobby-Fischer-Fan who donated it to make the American play. We remember: Fischer didn’t show up because he was unhappy about the amount of the prize money. An American publisher lifted it so there was no reason to stay away from Reykjavik furthermore. After noticing a significant loss of self-confidence on Spasski’s side the Russian delegation asked the board for the same chair for him. Now Fischer insisted always to sit on «his» chair, a behaviour pattern which let the Russians fear that their chess champion’s chair was possibly poisoned – a fact that would explain Spasski’s unfortunate play because at that time he was three full points behind. Therefore

** FILE ** Bobby Fischer of the U.S. right, and Boris Spassky of Russia, play their last game together in Reykjavik, Iceland, in this Aug. 31, 1972 file photo. Fischer who renounced his U.S. citizenship, has died at the age of 64, Iceland’s Channel 2 television reported Friday, Jan. 18, 2008. (AP Photo/J. Walter Green, file).

Die Welt: Leichnam von Schachgenie Bobby Fischer exhumiert.

Knoll help educate us in what makes this chair so special. Subscribe to the videos and stay in touch with everything they do at Find Me The Original. This is a Find me the Original Video. Property of Couch Potato Company. Feel free to use it, but please credit us or we’ll be very sad indeed…maybe a little angry too.

via: Daily Icon

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Sensitive topic. Therefore comments off.
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Sebastian Krumbiegel: «Mein Leben als Greta Thunberg»

8 May

Sebastian Krumbiegel:
«Mein Leben als Greta Thunberg»
erschienen im Champ Verlag
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Sebastian Krumbiegel berichtet über seine Alpträume, die ihn seit dem Fall der Mauer an der innerdeutschen Grenze im Wendejahr 1989 kritisch verfolgen. Jetzt auch noch ein Leben als Greta Thunberg führen zu müssen, gibt ihm, dem Standhaften, den Rest. Er steht auf und tritt sanft aber gekonnt zurück. Leider bleibt sein Fuß kliensmannesk in den Speichen seines Lebens stecken. Zum Glück ist der begnadete Sänger und ehemalige Thomaner krankenversichert. Ein berührendes Buch, das seit zwei Jahren die SPIEGEL-Bestsellerliste anführt und nicht umsonst mit der berühmten und mikrowellentauglichen Claas-Rhetorius-Motivationsmedaille ausgezeichnet wurde. Sebastian Krumbiegels Buch mit einem Einleitungsbrief von Udo Lindenberg ist u.a. bei amazon hier bestellbar. Wir sprechen eine Leseempfehlung aus!

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Rettet die Wale. Deshalb keine Kommentarmöglichkeit.
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David Ope: «SQUAREdance»

1 May

Animation Art by David Ope.

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Rettet die Wale. Deshalb keine Kommentarmöglichkeit.
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Günter Wallraff: «Mein Leben als hackfleischeske Handgranate»

24 Apr

Günter Wallraff:
«Mein Leben als hackfleischeke Handgranate»
erschienen im btv Verlag
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Günter Wallraff, der Premiuminvestigativjournalist mit dem untrüglichen Riecher für das Brisante im Thema, mit dem glücklichen Händchen für den Skandal in der trächtigen Story, kam einst von ganz unten, nur um den steinigen Weg nach noch mehr ganz unten anzutreten: Sein Wirken als «getarnter BILD-Journalist», seine Aufräumarbeiten als «Ali, der Drecksarbeiter» und zuletzt als vermeintliches Hackfleischbällchen in der Großküche einer bekannten Schnellrestaurantkette. Immer recherchiert er unter Aufopferung seiner selbst, wertet er umsichtig die Faktenlage, deckt gnadenlos auf. Nicht umsonst nennt man ihn in Kennerkreisen den «Clint Eastwood der Gerechtigkeitspresse».

Auch die Geschwindigkeit, mit der er sich auf veränderte Arbeitsbedingungen einzustellen vermag, ist beeindruckend. Dies zeigt sich aktuell in der Corona-Krise besonders deutlich. Während sich seine Kollegen alle schön brav an die Auflagen zur verpflichtenden Heimarbeit halten, geht Günter Wallraff wie gewohnt andere Wege. Ordnungsgemäß mit verdeckten Atemwerkzeugen und Tauchermaske ausgestattet, plaziert er sich als vermeintliche «Hackfleischhandgranate» mitten auf dem Gehweg und wartet darauf, daß besonders vorbildlich Agierende in ihm das erkennen, was er tatsächlich zu sein vorgibt, nämlich ein mit Corona-Viren verseuchter Hackfleischklops, der nur so darauf wartet, von Besorgten wie ein Fußball vom Gehweg weggekickt zu werden. Und so landet er mal in einem Vorgarten, mal fliegt er durch das geöffnete Fenster im 3. Stock eines Wohnhauses und mal kommt er auf der Ladefläche eines vorbeifahrenden Pritschenwagens vorübergehend zu Ruhe – und tritt so seine Reise durchs Land an. Einmal am gewünschten Zielort angekommen explodiert er umgehend, zerlegt sein nächstes Umfeld fach- und sachgerecht in seine zahn- und zahllosen Einzelteile, die Totalkontamination mit «blutigem» Hackfleisch ist erwünschter «Nebeneffekt», das Wallraffsche Investigativprogramm läuft auf Hochtouren: Es riecht nach Verbrechen, Hygieneverstößen und menschlicher Umweltverschmutzung.

Der im btv-Verlag erschienene aktuelle Arbeitsnachweis Günter Wallraffs ist gespickt mit den Ergebnissen seiner neuesten Untersuchungen am offenen Herzen unserer Gesellschaft: sachlich, prägnant, ernüchternd, pikant, desillusionierend, liebenswert – und vielleicht auch ein bißchen zu stark gewürzt. Einige Leser berichten gar von einem nach frischem Rinderhack schmeckenden Buchumschlag. Kurzum: der ideale Lesestoff, um durch die verrückte Zeit zu kommen, und ohne daß einem das Gefühl vermittelt wird, den gesellschaftlichen Anschluß zu verlieren. 468 Seiten, broschiert, 24,99 €. Leseempfehlung!

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Rettet die Wale. Deshalb keine Kommentarmöglichkeit.
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Andreas Baier: «Die Band KLEIN» in «Flashback» (fotoPRO 2018/3)

20 Apr

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In der Rubrik Flashback des Fotomagazins «fotoPRO» blicken «gestandene Fotoprofis zurück auf denkwürdige Aufträge». In diesem Beitrag erinnert sich unser Redaktionsfotograf Andreas Baier an seine Kollaboration mit der 80er-Kultband «KLEIN»:

Der ziemlich schnell nach ihrer Gründung mit dem Stempel «kultverdächtig» versehenen Kult-Band klein gelang es, direkt nach Veröffentlichung ihres ersten Live-Albums einen Plattenvertrag bei Epic/Sony zu unterschreiben. Das vom Band-Leader und unserem Redaktionsfotografen ausgearbeitete Fotokonzept sollte unter satirischen Gesichtspunkten vermeintlich kriminelle Aspekte in den täglichen Wohn- und Lebensbereichen von Egon und Erika Mustermann unterschiedlich interpretiert visualisieren. Ihr Arbeitstitel lautete: «Tatort Wohnzimmer» – wo immer sich besagtes Freigehege auch gerade befinden mochte.

Bemerkenswerterweise entwickelte dann der eigentlich als eher bieder einzustufende Produktmanager eigenmächtig ein polarisierendes Marketingkonzept, das als emotionalen Höhepunkt den Besuch des Frankfurter Oberstaatsanwaltes im Büro des damaligen SONY-Deutschlandschefs – der sich in Sachen effektiver Öffentlichkeitsarbeit viel lieber mit seinem Rolls-Royce in Verbindung gebracht sah – und dessen dortige eingehende Vernahme zur Folge hatte, was wiederum in die fristlose Entlassung des verantwortlichen Produktmanagers sowie die Auflösung des Plattenvertrages mit der immer noch als kultverdächtig zu bezeichnenden Kult-Band klein mündete.

Ausführlicher Bericht auf der Website unseres Redaktionsfotografen.

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Sensibles Thema. Deshalb keine Kommentarmöglichkeit.
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Pablos Holman: «What Hackers Can Do To Save The World»

14 Apr

Pablos Holman illustrates the tricky aspects of RFID-technology.

Let’s face it: usually, a hacker’s reputation isn’t the best – seen from the perspective of someone who isn’t really familiar with such topics. And so aren’t we. That’s why we will give you some basic impression of how brightly minded a brilliant hacker has got to be; and how he uses his brain capacities to do good on mankind’s problems.

Thanks to Berlin School of Creative Leadership we very much enjoyed the luxurious advantage of being taught by one of the best hackers: by Mr Pablos Holman himself.

For all those of us who still suffer from an uncertain vision about that what hackers real abilities are, Pablos Holman first explained to us, that hackers never accept a certain status quo and that they always try to look and go beyond any border. For that reason – like any other – even hackers use to enter airplanes and call ordinary passports their own. But what they can do with such an ordinary passport as well, is what it separates them from us, to so-called common people, who always obey rules in precisely that manner as they firstly appear.

Pablos Holman indicates that «Samy is my hero».

Alright, let’s start the fire: «Samy» is the guy who made it straight into «The Book of Internet History». It was him who created the legendary make-myspace-friends-script. Simply by visiting a profile both sides automatically became friends. Within weeks some myspace users gathered from 100k up to 1m of magic friends that came out of nowhere. However, out of a clearly structured hic et nunc «Samy» was not allowed to touch any computer for a period of ……. years/months?

By the way: What does such a verdict mean in reality? That you aren’t even allowed to use a cash dispenser in order to make an ordinary cash withdraw? That you aren’t even allowed to buy a train ticket from a ticket machine, which – of course – runs with a computer inside? May be it’s just meant to be a ritual, a procedure that separates the best from the good? May be it is designed as a special recruiting (Maßnahme) to get in touch with «The best, of the best of the best, sir!». Who knows…

Another important starter was that Pablos Holman showed us screenshots from TV-sets in hotel rooms, showing what the specific users was actually doing in their guessed but not existing privacy: making a money transfer of about $30m quit, for example. Certainly, all the bank details were on display as well.

How to snap secret credit card details wirelessly?
Pablos Holman demonstrates it.

«Can I have anyone’s credit card, please?» No wonder that all participants instantly forgot theirs at home… So he took his, certainly an expired one, and caught his secret card details with a blimp of an eye.

How to snap secret credit card details wirelessly?
Pablos Holman demonstrates it.

How to snap secret credit card details wirelessly?
Pablos Holman demonstrates it.

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Comments disabled in order to save the world,
not to forget the whales, of course.
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«Schwarzdenker» – Die neue «Zeit-Streit-Schrift»

12 Apr

Das Titelbild der ersten «Schwarzdenker»-Ausgabe –
Die neue «Zeit-Streit-Schrift»
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Daß hier Schwergewichtiges geboten wird, offenbart bereits ein flüchtiger Blick auf die Autorenliste (Auszug): Dr. Hans Jürgen Escherle «Verfall und Untergang der Sprache»; Jost Hochuli – «Ärgernisse»; Herbert Lechner «Fake News und die Lust am Betrug»; Olaf Leu «Der große Bluff»; Horst Moser «Mein Fremdschäm-Akku ist leer»; Peter Vetter «Immer dasselbe – immer anders»; Kurt Weidemann «Anmerkungen zum Umgang mit Kunden»; susanne zippel «vom komplexen unsinn der konsequenten kleinschreibung». Initiiert, gestaltet und herausgebracht wurde das gute Stück von Victoria Sarapina.

Die Rückseite der ersten «Schwarzdenker»-Ausgabe
Die neue «Zeit-Streit-Schrift»
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Die Rückseite gibt gut gestaltet die grobe Marschrichtung vor: «Beim Lesen läßt sich vortrefflich Denken. (Leo Tolstoi) Beim Lesen von ‹Schwarzdenker› vortrefflich amüsieren. Die Zeitschrift wirft einen bitterbösen, selbstironischen Blick auf die Lage der Kreativ-Branche und den Zeitgeist. Für Designer. Für alle, die es werden wollen, und für deren Eltern, die das gern verhindern würden».

Das ist ein sehr guter Werbetext, der die Sache weitestgehend korrekt beschreibt. Allerdings nur weitestgehend. Denn einige Beiträge sind alles andere als «selbstironisch» oder «bitterböse»: sie legen hinreichend desillusioniert die Auswirkungen des gesamtgesellschaftlichen Offenbarungseides dar, der im Laufe der letzten 30 Jahre tagtäglich von Waldorfschulgeschädigten, die ihren «langen Marsch durch die Instanzen» bedauerlicherweise erfolgreich absolviert haben, zum erheblichen Nachteil aller geleistet worden ist – und immer noch geleistet wird. Unter dem Deckmantel einer falsch verstandene Gleichmacherei (oft mit «Chancengleichheit» verwechselt) wird der Neid auf jene Leistungsträger kompensiert, die schon in der Schule zu den Besseren gehörten. Schließlich muß es eine schlüssige Erklärung dafür geben, warum die nicht gänzlich geistig Hellen im Regelfalle einen nicht gänzlich geistig hellen Eindruck machen. Das wirre Gerede einer Claudia Roth mag hierfür ein brauchbares Beispiel sein. So vertritt sie die steile These, daß auch ein Mensch mit Hilfsschulabschluß unbedingt die Möglichkeit haben muß, Medizin zu studieren. Oder, noch schlimmer, «auf Lehramt». Und dann wird von diesen Leuten zum Beleg das Grundgesetz herangezogen, ohne daß sie vom Grundgesetz auch nur die leiseste Ahnung haben. Horst Moser schreibt dazu in seinem Beitrag: «Ein Cover der Zeitschrift brandeins brachte das Thema Gleichheit auf den Punkt: ‹Gleichheit ist nicht gerecht› (Oktober 2003). Der brand eins-Autor und Mitgründer Wolf Lotter schreibt dazu: ‹Gleich­heit ist nicht gerecht – und kann auch gar nicht ge­recht sein. Jeder benötigt etwas anderes. Aber unsere Strukturen sind dennoch darauf ausgerichtet, uns alle gleich zu machen – Unternehmen, Karriere, Politik und vor allem Schulen zielen darauf ab, uns gleich zu machen. Speziell an Universitäten erleben wir das Streben nach Gleichheit.›»

Verfall und Untergang der Sprache
von Dr. Hans Jürgen Escherle
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Und so sei hier in Sachen Sic transit gloria mundi im «Schwarzdenker» auf den Beitrag «Verfall und Untergang der Sprache» von Dr. Hans Jürgen Escherle verwiesen. Es vergeht kaum ein Tag, da man nicht in der Tageszeitung, in Teletextnachrichten, im Fernsehen oder im Netz auf den Portalen sogenannter Qualitätsmedien mittels gravierender Rechtschreib- und Grammatikfehler sowie weiterer grober Sprachnachlässigkeiten gequält wird. Dieser Konstantmangel wird offensichtlich weder von der breiten Durchschnittsmasse noch von den verantwortlichen Chefredakteuren als solcher empfunden. Hauptsache, der neue Nasenring ist stabil genug, um sich an ihm bereitwillig durch die Youtube-Manege ziehen zu lassen, denn: Hauptsache ist ohnehin alles. José Ortega y Gasset formulierte bereits 1931 in Der Aufstand der Massen: «Das ist es, was ich im Kapitel als Kennzeichen unserer Epoche hinstellte: Nicht, daß der gewöhnliche Mensch glaubt, er sein außergewöhnlich und nicht gewöhnlich, sondern, daß er das Recht auf Gewöhnlichkeit und die Gewöhnlichkeit als Recht proklamiert und durchsetzt.» Bei Dr. Hans Jürgen Escherle liest sich das in seinem Essay über den nachkrieglichen Zerfallsprozeß unsere Sprache so: «Man hat sich bisher an einer Art Bildungssprache orientiert, jetzt orientiert man sich an der Unterschicht und am Pausenhof. Der zitiert längst keine Klassiker mehr, salonfähig ist vielmehr Fack ju Göhte.» Das ist fein beobachtet. Aber möglicherweise begründet das noch nicht vollständig den gesellschaftlichen Verfall. Er geht ebenfalls einher mit einem überzogenen Interesse an sich selbst – und zwar ausschließlich an sich selbst. Spätestens mit Angela Merkel wurde die Satzkonstruktion «Ich aber sage, …» salonfähig. Bei uns im Kindergarten lautete in den 1960ern noch der Merksatz: «Nur der Esel nennt sich selbst zuerst». Dr. Hans Jürgen Escherle schreibt dazu: «Sprache ist nicht nur Werkzeug des Denkens, sondern auch ein Indikator. Was geschieht, wenn das Werkzeug unbrauchbar wird? Was geschieht, wenn Sprache Alarm auslöst? Mit einem stumpfen Messer kann man nicht schneiden. Und mit einer Deppensprache nicht denken.» Und ergänzend: «Hier schließt sich der Kreis: Wir reden alle von Ehe 2.0, vom Chillen, Detoxen und anderen Lächer­lichkeiten, ohne uns der Lächerlichkeit bewusst zu sein, und die Zahl der Emojis steigt.»

Ärgernisse
von Jost Hochuli
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Und so stellt auch Jost Hochuli fest: «Ich wundere mich immer wieder, dass sich so viele Typografen ganz grundsätzlich nicht um die Sprache zu kümmern scheinen – obwohl doch Typografie in erster Linie Visualisierung von Sprache bedeutet und nicht einfach ästhetisierendes Hin- und Herschieben von Textblöcken, Titelzeilen und Abbildungen.» In seinem Essay zieht er zur Beweisführung das nicht sonderlich überzeugend gestaltete Buch eines Designers heran, den er namentlich nicht nennen möchte, der sich aber mit ein paar treffenden Suchbegriffen schnell recherchieren läßt. Der Wikipedia-Artikel der besagten Person strotzt und protzt nur so mit jedem einzelnen Detail zu seiner Vita. Einer wahren Kapazität würde soo etwas nicht im Traum einfallen. So scheint auch dieser Umstand die These von der gesellschaftlich verherrenden Wirkung des Ich-Ich-Ich-Über-Ichs zu stützen. Jost Hochuli: «Schludriger Umgang mit der Sprache, wichtigtuerischer Gebrauch der Sprache, Wichtigtuerisches im Hinblick auf die Sache, dummes und rücksichchtsloses Design – das ist es, was mich ärgert.» Indeed, wobei: in der Tat. Denn: «Eine Trivialität – verbal noch so emphatisch zelebriert oder typografisch in Szene gesetzt – bleibt eine Trivialität, und nur, weil sie englisch daherkommt, ist sie nicht weniger trivial.»

Über Jost Hochuli berichtete Meerschweinchrenreport bereits hier und hier.

Mein Fremdschäm-Akku ist leer
von Horst Moser
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Mein Fremdschäm-Akku ist leer
von Horst Moser
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Mein Fremdschäm-Akku ist leer
von Horst Moser
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Bei Horst Moser heißt es: «Gleich den Schock vorweg: Die Erbärmlichkeit des gemeinen Designers muss – ein Mal zumindest, und zwar hier – anhand kollektiver Verwerfungen angezeigt werden. Welche Verwerfungen? Dazu komme ich gleich. Zunächst noch eine Bemerkung zum Geburtsfehler dieser Spezies.» Und dann werden so viele «Geburtsfehler» aufgelistet, daß er eher von einem grundsätzlichen Konstruktionsfehler spricht, was, abhängig vom Geisteszustand der jeweiligen Generation, aber durchaus berechtigt ist. Und eigentlich dürfte selbst einem Fachfremden ein kurzer Blick auf die ersten drei Doppelseiten seines Beitrages ausreichen, und der Fachfremde begriffe sofort, was das Problem ist: Inkompetenz sowie der mangelnde Wille, sich selbst als dienende Funktion im Interesse einer übergeordneten Informationsvermittlung zu sehen – und genau darin die eigene Befriedigung zu finden. Diese verhunzten Doppelseiten sind Ergebnisse, die ihre Verwirklichung Inkompetenz, Desinteresse, vermischt mit dem unheilbringenden 68er-Keim des «sich einbringen Wollens» verdanken.

Wir erinnern uns als Mitglied der DDC-Jury des Jahreswettbewerbes «Gute Gestaltung» in der Kategorie «Studentische Abschlußarbeiten» ein formal hervorragend gedrucktes Buch aus dem Verkehr gezogen zu haben, weil die großformatigen Portraitfotos nicht nur fett über den Bund gelegt wurden, sondern auch, weil es sich der hierfür verantwortliche Junggestalter nicht hatte nehmen lassen, zusätzlich noch ein auf jede Person inhaltlich zugeschnittenes Mini-Booklet quer über das jeweilige Gesicht zu heften, welches dadurch ausschließlich entweder nur halbseitig links oder nur halbseitig rechts zu betrachten waren. Das war schlicht unfaßlich. Consequently, the Oscar goes not to …

Das sind alles Leute, die im späteren Berufsleben glauben, daß ihnen das Recht zustünde, alles machen zu können, und zwar allein schon deshalb, «weil sie studiert haben». Horst Moser schreibt u.a. zu diesem Problem: «Ich meine nicht die große philosophische Frage der Willensfreiheit im Schopenhauerschen Sinn, der treffend festgestellt hat: ‹Der Mensch könne tun, was er will, aber er könne nicht wollen, was er will.›» Unser Redaktionsfotograf erinnert sich an eine Portraitstrecke von Designagenturinhabern, die er im Auftrag der Landeshauptstadt Wiesbaden für das die Wiesbadener Designtage begleitende Magazin «Access All Areas» anfertigte. Bei einem Portraittermin wurde er von einem dieser seltsamen Jungagenturinhaber gefragt, welche Brennweite er denn gerade verwende, worauf unser Mann fürs grobe Korn antwortete: «Keine Ahnung, irgendwas mit Objektiv». Diese lakonische Antwort führte dazu, daß sich besagter (und offensichtlich nicht sonderlich erfahrene) Agenturjunginhaber mit den Verantwortlichen des «Access All Areas»-Magazins in Verbindung setzte, um seinen «Anspruch auf einen richtigen Berufsfotografen» zu reklamieren, denn: «schließlich habe ich studiert». Tja, wenn das alles ist, was Hochschulen heutzutage hervorzubringen vermögen, dann sind sie umgehend zu schließen. Diese fortlaufende Verschwendung von Steuergeldern ist angesichts durchzufütternder Flüchtlingsströme durch nichts zu rechtfertigen. Überflüssig darauf hinzuweisen, daß die hier in Rede stehende «Jungagentur» auch heute, über 10 Jahren nach diesem kleinen Vorfall, nichts hervorgebracht hat, über das zu Reden es sich lohnen würde.

An dieser Stelle fällt uns übrigens auf, daß auch das Thema «unbrauchbare Informationsgrafik» im «Schwarzdenker» durchaus seinen berechtigten Platz gehabt hätte. Nachfolgend die Arbeitsbeispiele zweier bekannter Gebrauchsgrafiker des 20. Jahrhunderts, die mit ihren individuellen Lösungsansätzen den Besuchern Manhattans eine brauchbare Orientierungshilfe an die Hand geben wollten.

Piet Mondrian wurde der Öffentlichkeit insbesondere durch seine Kreationen für das Pariser Modehaus Yves Saint Laurent in den 1960er sowie sein innovatives Verpackungsdesign für die französische Nobelduftmarke «L’Oréal» Mitte der 1990er Jahre bekannt. Zwar gewährt sein Stadtplan mit dem lebensbejahenden Titel «Broadway Boogie Woogie» (1942-43) einen realistischen Eindruck vom Grundriß der New Yorker Innenstadt, wenngleich dem typisch diagonalen Straßenverlauf des Broadways hier keine Rechnung getragen wurde, was eine stimmige Standortbestimmung mit diesem Kartenmaterial bedauerlicherweise nicht möglich macht.

Auch der zweite Kartierungsversuch Manhattans mit dem Titel «Nummer 1» aus dem Jahre 1949 von Jackson Pollock läßt insbesondere in den letzten Jahren Zukunftsforscher verstärkt aufmerken, erweckt dieser Entwurf doch den Eindruck, daß es dem depressiven Alkoholiker mit übergeordnetem Sendungsbewußtsein offensichtlich gelungen ist, bereits kurz nach Kriegsende sowohl die Bewegungsströme aller zukünftiger New Yorker Mobilfunktelefonnutzer als auch das gesamte Flugaufkommen über der Millionenmetropole detailgetreu abzubilden. Faszinierend und wunderschön anzusehen, nur leider wird man auch mit diesem Lageplan «The Bitter End» in der Bleecker Street nicht auffinden können. Schnüff.

Über Jackson Pollock und sein besonderes Verhältnis zu Peggy Guggenheim berichtete Meerschweinchrenreport bereits in seinem Beitrag über Tom Wolfs «Das gemalte Wort» hier.

Mein Fremdschäm-Akku ist leer
von Horst Moser
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Zur mangelnden Übersichtlichkeit im Bereich der reinen Typografie schreibt Horst Moser im übertragenen Sinne zu dieser Grundproblematik: «Nicht mühelose, schnelle Erfassbarkeit ist das Ziel dieser Gestaltung, sondern ein Wortbrocken-Zusammenstottern in bester Analphabeten-Manier.»

Horst Moser in seinem Büro
fotografiert von unserem Redaktionsfotografen Andreas Baier
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Als Gründer und Inhaber von «independent Medien-Design» kennt er auch die Mentalität potentieller (oder eben nicht potentieller) Mitarbeiter seines Gestaltungsbüros: «In Bewerbungsgesprächen kenne ich nahezu alle Antworten und Vorlieben der Kandidaten, bevor sie sie aussprechen. Würde man sie im politischen Spektrum verorten, wären öko, bio und grün die entsprechenden Labels.»

Über Horst Moser berichtete Meerschweinchrenreport bereits hier und hier.

Der große Bluff
von Prof. Olaf Leu
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So stehen wir nun nach vorstehender Bestandsaufnahme vor der Beantwortung der Frage, wie Entscheidungsträger auf Unternehmensseite, die vielfach unfähig sind, Qualität zu erkennen, die richtige Wahl unter zu beauftragenden Gestaltungsbüros treffen wollen, die sich ihrerseits oftmals selbst nicht in der Lage sehen, die erforderliche Qualität zu liefern? Und genau hier hilft uns Olaf Leus Essay «Der große Bluff» weiter. Er erklärt uns, daß es genau aus diesem Grunde so viele Kreativpreise bzw. «Apothekenbesuche» gibt: «Die ‹Apotheken›, sprich Wettbewerbe, befriedigen eine Nachfrage, die allein von Designern ausgeht. Und weil es so große Nachfrage gibt, gibt es so viele ‹Apotheken›.» Und weiter: «Das Ganze soll wie ein Narkotikum wirken. Und bei unbedarften Kunden, die nach Teilnehmern für einen Pitch suchen, funktioniert das auch». Voilà. Ergo: «Die Awards-Flut macht tatsächliche Differenzierungsmerkmale für unsere Kunden kaum mehr unterscheidbar. Die Nachricht, als einziger von 22.000 Einsendern einen Black Pencil beim D&AD zu bekommen, geht in den Nachrichten über 500 if-Awards völlig unter, weil unsere Kunden beides sowieso nicht unterscheiden können (…).»

Über Olaf Leu berichtete Meerschweinchrenreport u.a. bereits hier und hier und hier.

Anmerkungen zum Umgang mit Kunden,
Medien und der Öffentlichkeit: Manieren
von Kurt Weidemann
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Olaf Leu brachte auch den Text der 2011 verstorbenen Gestalter- und Kommunikationslegende Kurt Weidemann in das «Schwarzdenker»-Magazin ein, wofür ihm einmal mehr großer Dank gebührt. Weidemann seziert den komplexen Aufbau eines Unternehmens: «In den Unternehmen sitzen die ‹Unternehmensbildhauer› und basteln an der Corporate Identity, Corporate Personality, am Corporate Behaviour, an der Corporate Communication, am Corporate Image und Corpo­rate Design. Offenbar haben die Unternehmen Probleme, sich selbst zu erkennen und sich selbst zu benennen. Ihr Selbstverständnis und ihr Erscheinungsbild verschwimmt, doubliert, ist widersprüchlich oder gar nicht vorhanden.»

Und weiter schreibt er: «Die Kommunikation organisiert den monologen, dialogen, multifunktionalen Umgang der Menschen miteinander, ohne einander oder gegeneinander. Die Mittel dafür sind heute vielfältiger als je zuvor. Und sie zu bedienen, ist zunehmend weniger schwierig. Aber um mit den Kunden Verständnis und Vertrauen aufzubauen, braucht man immer noch etwas ganz Altmodisches: das Gespräch, Auge in Auge und Wort für Wort.»

Um zumindest halbwegs zu verstehen, WER der Verfasser dieser Worte war, ist es hilfreich zu wissen, WIE er sich selbst am Markt «positionierte», wobei wir es für hinreichend wahrscheinlich halten, daß er für uns allein für den Gebrauch des Wortes «positionierte» höchstwahrscheinlich einen Termin zur umgehenden Vorsprache beim zuständigen Standgericht vereinbart hätte: Der im 2. Weltkrieg mehrfach durch Nahkampf Verwundete saß da in seinem umgebauten Stuttgarter «Stellwerk West», zog sich Tag für Tag zu früher Morgenstunde ein Pils nach dem anderen aus der eigens zu diesem Zwecke direkt an seinen Schreibtisch verlegten Zapfanlage, dachte wohl so über dieses und jenes reichlich nach, entwickelte bei dieser Gelegenheit auch noch ein paar Schriften, u.a. die «Corporate», die die Hausschrift von «Daimler-Benz» und der «Deutschen Aerospace» werden sollte und beriet überaus erfolgreich in knallschwarzen Lederhosen persönlich die Vorstände von eben solchen international agierenden Weltkonzernen. Ein Produktdesigner, der ihn sehr gut kannte, sagte uns, daß «Weidemann eines nicht kannte: Angst. Er hatte vor nichts und niemandem Angst. Wenn Du weißt, welchen Job er im Krieg hatte, dann kommst Du da nur lebend raus, wenn Du keine Angst hast». Seinen Briefbogen zierte übrigens mittig eine kleine Tuschezeichnung, die von hinten König und Hofnarren ins Gespräch vertieft beim Wandeln zeigen. Der übergewichtige und körperlich wesentlich größere König beugt sich seitlich tief zum Hofnarren hinunter, um seinen Worten besser lauschen zu können. Wir glauben, daß es Kurt Weidemanns große Fähigkeit war, die Dinge – so wie sie sind – ohne Umschweif entwaffnend direkt zu beschreiben.

Legendär auch sein in der Öffentlichkeit geführte Disput ob seiner Neugestaltung des DB-Logos mit Erik Spiekermann, den er als «Stadionlautsprecher» bezeichnete. Der Auftakt im zugehörigen Bericht im SPIEGEL vom 28. 03. 1994 unter der Überschrift «Zu viele Busenbogen» las sich damals so: «Keinem Lokführer und keinem Schlafwagenschaffner war bislang aufgefallen, daß er mit dem Bahn-Emblem auf der Mütze für eine ‹hohe feminine Anmutung› sorgte. Der Stuttgarter Design-Professor Kurt Weidemann, 71, sah’s auf einen Blick. Insgesamt 28 Rundungen zählte er in dem 1952 entworfenen Logo – ‹Busenbogen›, ‹Hüftbogen› und ‹Schwangerschaftsbogen›; ganz miserabel schienen ihm die vier ‹runden Ecken›, die ‹tiefenpsychologisch Entscheidungsschwäche› symbolisierten. Seit Jahresanfang, seit es die Deutsche Bahn AG gibt, hat der Staatsbetrieb ein neues Signet. Rund 25 Millionen Mark hat die Einführung des Emblems gekostet; statt der weiblichen Rundungen – laut Weidemann ‹zu schlaff› – hat der Stuttgarter Designer ‹Straffung, Aufrichtung, Schlankung› geschaffen. Diesem ‹gewissermaßen erigierten Zeichen›, spottete der Berliner Typograph Erik Spiekermann, 46, in der Fachzeitschrift form, fehle ‹jede Emotion, wie Männern, die bekanntlich ja auch nicht mit dem Bauch, sondern einem weiter unten gelegenen Körperteil fühlen›.» Diese Vorhaltung dürfte Kurt Weidemann hinreichend kalt gelassen haben, zeichnete ihn doch ohnehin ein bemerkenswert entspanntes Verhältnis auch zu seinen eigenen Körperteilen aus. Angesprochen auf seine heftigen Trinkgewohnheiten antwortete der im Krieg mit der «silbernen Nahkampfspange» Ausgezeichnete im Alter von 87 Jahren: «Mein Körper hat mir zu gehorchen, und das tut er, weil er nichts zu sagen hat.» Ein Jahr später war er tot.

Über Erik Spiekermann berichtete Meerschweinchrenreport bereits hier und hier.

Fake-News oder die Lust am Betrug
von Herbert Lechner
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Fake-News oder die Lust am Betrug
von Herbert Lechner
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Herbert Lechner ist uns in den vergangenen Jahren mehrfach durch seine exellenten Vorträge auf der QVED (Quo Vadis Editorial Design) in der Alten Kongresshalle in München aufgefallen. Im «Schwarzdenker» gibt er uns einen kurzen Abriß über die Faszination an Fake-News in allen Formen und Farben und zieht hierfür ein illustratives Zitat von Christiane Meixner in der ZEIT heran: «Das Publikum steht staunend vor den Fake-Motiven und applaudiert – statt ins Museum zu jenen Originalen zu gehen, die Beltracchi überhaupt erst auf die Idee gebracht haben.» Dieses Zitat ist inhaltlich nicht ganz treffend, da Wolfgang Beltracchi lediglich im Stile des jeweiligen aus seiner Sicht zu fälschenden Künstlers gemalt hat. Er hat die Bilder nicht kopiert. Er hat zusätzliche Motive erfunden, oder Bilder kreiert, zu denen lediglich deren Bildtitel bekannt waren und die durch die Kriegswirren als verschollen galten bzw. immer noch als verschollen gelten. Von daher ist es durchaus angebracht, sich Beltracchis «Originale» zu betrachten. Und daß die von Frau Christiane Meixner ausgemachten Beltracchi-Claqueure nicht ins Museum gehen, um sich die Werke der von Beltracchi gefälschten Künstler in natura anzusehen, ist schlicht eine plakative Unterstellung. Nein, Herbert Lechners Essay ist lesenswert, ein schöner und unterhaltsamer Kurzstreifzug durch das Genre des Fälschens – wir haben lediglich ein Problem mit der notorisch ungenau arbeitenden ZEIT. Wir möchten diesen Youtube-Link empfehlen, der zu seinem Vortrag auf der «QVED» zum Thema «Die Abstraktion der Welt» führt.

Immer dasselbe – immer anders
von Peter Vetter
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Den optimistisch stimmenden Schlußpunkt bildet in unserer Rezension Peter Vetter, der schreibt: «Schwarzdenker offenbart manchmal eine futurophobi­sche Haltung. Hier finden Sie optimistische Gedanken zur Zukunft der visuellen Kommunikation.» Er führt fort: «In den vergangenen Jahren habe ich mich neben meiner Design- und Beratungstätigkeit intensiv in der Ausbildung engagiert, (…) dies insbesondere, weil wir davon ausgehen, (…) dass beispielsweise 65 Prozent der Schüler, die heute eingeschult werden, einen Beruf ausüben werden, den wir noch gar nicht kennen. Meine Gedanken basieren auf der Erfahrung und dem Austausch mit jungen Menschen in Europa, Asien und Nordafrika.» Zur Grundlagenforschung in Designfragen greift Peter Vetter immer wieder auf ein Regal in seiner Bibliothek zurück: «In meiner Bibliothek gibt es ein Regal, in dem die Bücher versammelt sind, die mir viel bedeuten. Das sind unter anderen «Aesthetica» von Max Bense, «Ways of seeing» von John Berger, «Designing Design» von Kenya Hara, «analog und digital» von Otl Aicher, «Amusing Ourselves to Death» von Neil Postman, «Digitale Welt und Gestaltung» von Tomás Maldonado oder etwa «Zeichen» von Umberto Eco. Hier und da nehme ich eines dieser Bücher heraus, öffne es an einer beliebigen Stelle und lese etwas Überraschendes, denn nach Jahren verstehe ich anders als vorher und kann dadurch weitere neue Erkenntnisse gewinnen.» Das vorstehend dargelegte Geschepper zwischen Kurt Weidemann und Erik Spiekermann war in der Geschichte der Typografie nicht der einzige Clash of The Graphic Titans (klingt in englischer Sprache tatsächlich bedeutungsvoller). Peter Vetter: «So hatte ich Anfang dieses Jahres wieder einmal Paul Rands ‹From Lascaux to Brooklyn› in der Hand. Und zufällig bin ich auf das Kapitel ‹Jan Tschichold versus Max Bill› gestoßen. Es handelt sich um die Auseinandersetzung über unterschiedliche Auffassungen zur Typografie. Der berühmte ‹Typografiestreit der Moderne› (Gerd Fleischmann) fand 1946 statt. Max Bill beschimpfte Jan Tschichold wegen seiner Abkehr von der ‹Neuen Typografie› als Verräter. Aus heutiger Sicht stehen diese beiden Auffassungen für zwei gegensätzliche Ideologien. Genau auf diesen Aspekt geht Paul Rand ein und kritisiert dieses Denken, um dann festzuhalten, dass es ausschließlich um Qualität und nicht um Gestaltungsideologie geht.» Abschließend gibt er uns noch eine brauchbare Feststellung zur Frage, welchen Wert gute Gestaltung für ein Unternehmen haben kann, mit auf den Weg: «Unternehmen mit hoher Affinität zur Gestaltung steigerten in den vergangenen zehn Jahren ihren Wert um fast das Doppelte und vergrößerten sich gegenüber dem Durchschnitt um 57 Prozent.» Peter Vetters Website.

Unser Redaktionsfotograf wurde auch um einen Beitrag gebeten, schickte jedoch eine Absage, die dennoch ihren Weg ins Heft fand:

Ich mache hier nicht mit! –
von unserem Redaktionsfotografen Andreas Baier
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Unser Schlußzitat haben wir Helmut Dietls großartigem Film «Rossini» entnommen: «Vom einst mächtigen Gebirge aus Leidenschaft und Liebe ist nur noch ein komischer Rest übrig, nichts Großes mehr – nur Sand im Getriebe: wie in den schlechtesten Komödien. Der alte Mief, alles geht schief, und die mörderische Frage, wer mit wem schlief, löst sich in Wohlgefallen auf.»

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Sensibles Thema. Deshalb keine Kommentarmöglichkeit.
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Der kanadische Feuerhund: «Memoiren eines außergewöhnlichen Vierbeiners mit drei Nasenlöchern»

7 Apr

Der kanadische Feuerhund
von Alba von Magenfein
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Ursprünglich von kanadischen Leichtlaufindianern zur Unterstützung beim Feuermachen und der begrenzten Ölförderung gezüchtet, ist diese bemerkenswerte Hunderasse seit der Einführung von Fracking und Dieselfahrverboten etwas in Vergessenheit geraten. Dank modernster Chappitechnologie ist es jedoch erstmals möglich, die Geschichte eines Hundes in gleichermaßen authentischer wie auch faszinierender Ich-Persepektive vorzulegen. Den Erzähler Alba von Magenfein, nach unüberbrückbaren Differenzen mit seiner Köchin dem Hause der Herzogin von Clustermonty entflohen, zieht es zurück zu seinen historischen Wurzeln: den Wäldern am Fuße der Rocky Mountains Kanadas. Dort kommt er zur Besinnung, reflektiert über seine glückliche Kindheit, erinnert sich an das bekannte Kindergartenlied, das man ihm und der genetischen Gesamtkonstruktion seiner baugleichen Artgenossen gewidmet hat: «Ich bin ein kleiner Hund mit Dreilochnase || Ich fühle mich gesund, lebe wie ein Hase || Doch manchmal wird es mir zu bunt || Wie eine Kuh sodann ich grase || Ich bin ein kleiner Hund mit Dreilochnase».

Das macht automatisch ein wohligwarmes Gefühl in der Magengegend und Appetit auf gut gewürzten Grizzly-Braten. Hier trifft er auch auf Häuptling Chiptschap (in seinem früheren Leben Lehrstuhlinhaber an der «Paritätischen Bildungsgesamthochschule NRW» für sozialverträgliches Kaugummikauen), mit dem er ein hammereskes Abenteuer nach dem anderen durchlebt. So erläutern sie langbärtigen Großstadthipstern den Sinn des Lebens, basteln aus deren Scheck- und Kreditkarten laichbereite Lachsdamen, binden den coolen Teilzeitaussteigern selbstgefertigte Sprengstoffgürtelatrappen um ihre schlappen Lendenlappen und fordern sie auf, sich damit pünktlich zu den Achtuhrnachrichten artgerecht in die Luft zu jagen.

Um die exemplarisch sperrige Erlebniswildniswelt unserer beiden Protagonisten für die Leser so selbsterfahrerisch wie irgend möglich aufzubereiten, ist der in japanischer Pinselstrichschreibweise verfaßte Text zusätzlich ganz bewußt mit ausreichend filen ortografisches und gramatikalichent Velern umsichtig ausgestattet. Schließlich sollen sich gerade die Schwächsten in unserer Gesellschaft beim Lesen nicht ausgegrenzt und diskriminiert fühlen. In aufgeklärten Kreisen gilt das in die Haut sich streng vegan ernährender Wildschweine eingenähte Buch als exquisites Lesevergnügen der Extraklasse für die gesamte Familie. Auch die Geschäftsführerin des veröffentlichenden Verlages «Pisa Publishing Group», Claudia Roth (selbst leidenschaftliche Analphabetiker*in), erklärt tränenüberströmt: «Wer nach dieser herzergreifenden Lektüre nicht selbst Hu(ü)nd*in sein möchte, dem ist ohnehin nicht mehr zu helfen».

Fazit: 365 Seiten, die Sie nach Lektüre so schnell nicht mehr vergessen werden – insbesondere wenn Sie dabei auch den Kaufpreis von 365,- € im Blick haben. Aber er lohnt sich! Unsere Leseempfehlung: Pro Tag immer nur eine Seite für nur je 1,- €. Und sollten Sie gerade mit dem Rauchen aufgehört haben, so sparen Sie bei dieser Vorgehensweise alle 24 Stunden je nach Zigarettenmarke und Verpackungseinheit immerhin zwischen drei bis fünf Euro. Letztlich eine klassische Win-Win-Situation. Und darauf kommt es unserem Autoren Alba von Magenfein seit jeher ganz besonders an.

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Rettet die Wale. Deshalb keine Kommentarmöglichkeit.
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Helmut Kohls letzte Extrawurst: «Ruhestätte auf Speyerer Domkapitelfriedhof»

3 Jul

Den Beerdigungsfeierlichkeiten wohnten vier Weihbischöfe sowie – höchstpersönlich und etwas versteckt – das Lamm Gottes bei. Von hier aus wird er weiterhin die politischen Geschehnisse aufmerksam verfolgen; und gegebenenfalls auch steuern.

Fotografiert 1991 für den «stern» über «Die wahre Mitte
Deutschlands» von unserem Redaktionsfotografen Andreas Baier.
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After Germany’s reunification, a new geographical center had to be defined. Various mathematical procedures led to different geographical results. Germany was suffering a serious problem; and it was ruled by an almost edible double supermoon. So, it was our pleasure to help. After examining the true cultural centers of Germany we put into places both our former chancellor Helmut Kohl and some German visual specialities. Now, this is the place where he was recently buried for good as well; witnessed by some four bishops and the lamb of god himself. Without doubt, Helmut Kohl was truely a very special master of his own.

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Kommentarfunktion aus religiösen Gründen deaktiviert.
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Art|Basel|2017 – Bernhard Hofstetter: «Die lebende Schnittstelle zwischen Kunst, Mode, Design und deren adäquate Zubereitungsformen».

2 Jul

Bernhard Hofstetter und Mouna Rebeiz auf der Art|Basel
von unserem Redaktionsfotografen Andreas Baier
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Fangen wir der Einfachheit halber mal ganz klein und basic an; oder, um im internationalen Sprachgestus zu bleiben: «Bernhard Hofstetter, a designer and artist from Switzerland, wears a Tom Ford shirt, Fendi shoes, an Olympia Le-Tan bag, Alexander McQueen sunglasses and a hat he had personally designed by himself.» Well, und da es unser Haus- und Hofphotograph mal wieder nicht hatte lassen können, sich reichlich an digitalen Farbtöpfen zu bedienen, möchten wir unsere hochgeschätzten Meerschweinchenreportleserinnen und Meerschweinchenreportleser mit einem Link zum «New York Times Magazine» versorgen, der Sie zu «Bernhard Hofstetter digitally untouched» führen wird. Wählen Sie einfach das dritte Bild im Slider aus – et voilà!

Na? Eben! Das Leben kann so wundervoll durchinformiert sein, n’est-ce pas? Kommen wir also nun zum eigentlichen Kern unseres Anliegens, zumal es dazu noch so hübsch und gut und überaus verlockend aussieht: Das Ding mit der kombinierten Ästhetik im grenzüberschreitenden Medium der integralen Kommunikationsdisziplinatik. Dochdoch, Sie haben ganz richtig gelesen: Disziplinatik! Das Leben kann so wundervoll woanders stattfinden, nicht wahr? Schrauben wir also das Rädchen der Zeitmaschine H.G. Wells’ ein paar Jährchen zurück – also nur so weit, daß wir beim Aussteigen nicht Gefahr laufen, daß uns ein paar durchgeknallte wilde Irre mit Allmachtsphantasien unsere Finger mit ein paar unter geschmacklichen Gesichtspunkten deutlich überbewerteten Chicken-Wings verwechseln – und klicken diesen Link an. Wir befinden uns in der Pariser Galerie Hubert Konrad; und zwar am 12. März 2013. Präsentiert wird die «Betty Boop Collection» der französich-libanesischen Künstlerin Mouna Rebeiz. Und wen erblicken wir auf besagtem Foto ebenfalls? Genau: Bernhard Hofstetter – who else?

Das sollte uns zu denken geben. Aber, was sollte uns zu denken geben? Ganz einfach: Was Generationen von international agierenden Spitzenmodels nur bedingt hinkriegen, gelingt einem Bernhard Hofstetter scheinbar mühelos: die stil- und geschmackssichere Kombination von Kleidungsstücken, die normalerweise nichts miteinander zu haben dürften. Allein schon deshalb nicht, um bei der Bank keinen schlechten Eindruck zu hinterlassen. Aber unser Protagonist stellt mal soeben und ganz locker fast jeden Modeschöpfer kalt. Grandios. Da dürfte sogar ein Tom Wolfe in der Pfanne verrückt spielen. Ähm, was? (Erinnerungen aus dem Kindergarten: «Das heißt nicht: Was? Das heißt: Wie bitte? Und wir konnten gefahrlos süße Kekse mampfen, ohne daß uns eine frustrierte Magersuchttussie, die sich ob eines kulturellen Mißverständnisses versehentlich zum Kindergärtnern berufen fühlt, entsetzt den bösen Zuckerkeks entreißt, um ihn in der Folge vermutlich heimlich selbst zu verdrücken.)

Kommen wir nun zum nächsten Streich. Wir begeben uns direkt dorthin. Wir kümmern uns um diesen Link. Wir befinden uns nun am 26. Februar des Jahres 2015 auf der Vernissage der Ausstellung «Le Tarbouche» der, once again, Künstlerin Mouna Rebeiz in «The Saatchi Gallery», Duke of York’s HQ, King’s Road, London SW3 4LY. Klar, daß wir auch hier Bernhard Hofstetter antreffen. Und was schreibt das «Tatler»-Magazine zu seinem Outfit? Ziemlich präzise dies hier: «Where to begin? There’s the fur, the printed jumpsuit, the spotted bow tie and that Teletubby hat stolen from Dipsy. The whole combination is far more fabulous than anything we have worn in the last year. Top marks.» Es hat, in der Tat, auch irgendwie ein bißchen was eltonjohneskes, keine Frage. Aber letztlich: auch nur «irgendwie».

But how does he do this?

Bernhard Hofstetter, modernes Bauhausverständnis
souverän zelebrierend: Das Runde schiebt das Eckige
photographiert von Andreas Baier
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Ganz so wie bei «Merz-Spezialdragées» die natürliche Schönheit immer von innen kommt, so ist eine entspannte Grundeinstellung zu allen Fragen rund um Kunst und Kultur eine zwingend Voraussetzung, um ungezwungen ganz selbst zu sein. Nur dann läßt sich modernes Bauhausverständnis in der praktischen Anwendung – beispielsweise auf der Art|Basel, oder gar signifikant verkleinert in einem Brotkasten – auch souverän zelebrieren. Ergebnis: Das Runde schiebt das Eckige.

Would you like to visite «World Redeye» in order to find out how Mr. Hofstetter’s outfit looks like in colour? Sure, just follow this link.

Bleibt eigentlich nur noch die Frage, was Bernhard Hofstetter beruflich macht. Hierzu gibt es, wen wundert’s, im Netz unterschiedliche Angaben. Vergleichsweise häufig heißt es, daß er Künstler und/oder Kunstvermittler sei. Gemäß dieses aktuellen Berichtes des SRF heißt es jedoch, daß er in einem Alters- und Pflegeheim arbeitet. Auf jeden Fall ist er, unabhängig davon, wie sehr er sich um die ebenso abwechslungsreiche wie perfekte Gestaltung seiner Oberfläche kümmert, inhaltlich klar strukturiert und entsprechend bodenständig ausgerichtet. Woher wir das wissen? Nun, wer Meerschweinchenreport regelmäßig liest, weiß, daß wir nicht wissen sondern spekulieren wollen. Aber dennoch: Wir sind im Falle Bernhard Hofstetters von der Richtigkeit unserer Vermutungen felsenfest überzeugt.

Auf der «QVED 2016» hielt unser Haus- und Hofphotograph einen Vortrag über seine Arbeit. Mit dabei auch das Aufmacherportrait von Bernhard Hofstetter und Mouna Rebeiz auf der Art|Basel, wie eines der Bühnensituationsfotos zeigt.

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Gérard Rancinan: «Paul McCarthy»

29 Jun

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Website Gérard Rancinan.

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Important Advice: This article won’t kill any polar bears. However, it won’t save them either. How should it work anyway? Despite all that we have disabled the possibility to launch comments – just to be on the safe side. Thank you for your cooperation.
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Art|Basel|2017: «An Experimental Interview With Larry Gagosian»

21 Jun

Larry Gagosian’s Experimental Interview
Portrait created by Andreas Baier
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Larry Gagosian, one of the most influential art dealers in the world, very rarely gives interviews. Nevertheless, he agreed to do an experimental one with us on this year’s Art|Basel|2017, which means that we were preferably communicating with each other on a spritual level only; a mental area where spoken words should be recognised as an exotic exception.

Meerschweinchenreport:
When looking at Jean Pigozzi’s photograph which was taken in 1991 and that shows Charles Saatchi, Leo Castelli and you all dressed to the nines in swimming trunks, we are asking ourselves what all of you might have had for breakfast that very same day?

Larry Gagosian:
That’s an interesting question, indeed. As far as I can remember, we first tore one of Lucio Fontana’s «Concetto spaziale»-paintings apart in order to make its taste a bit more sophisticated. We then had a plate of the usual course: ham, eggs, sausages, baked beans, French toast with strawberries, black pudding and coffee. Lots of coffee. Sure, there was orange juice too. At that moment we thought that this was pretty cool but after all these years, honestly, we’re still busy digesting Fontana properly. The only thing that helps starting collectors to not underestimate Fontana’s work is the price they’ve got to pay for it. If you want to make the people obeying work of art the perfect way, then make the objects as expensive as even possible.

Meerschweinchenreport:
Tom Wolfe wrote in his book «The Painted Word» that abstract expressionism is, at least, about celebrating «nothingness». And he reported that one day Jackson Pollock appeared on one of Peggy Guggenheim’s soirées uninvitedly and completely drunk, managed to get himself undressed and urinated to her guests’ greater surprise stante pede into the living room’s fireplace. Are those days over?

Larry Gagosian:
These are two good questions proving impressively how much the so-called «nothingness» and a strong performance transporting the unbeatable taste of abstract expressionism rely on each other significantly. Irritation is the basis of seduction. I remember a conversation I had decades ago with a professor teaching English literature that led us from literature over aesthetics to contemporary art. For some reason he ended up saying that abstract art were not worthy of serious consideration—that they were superficial and overrated, which was a funny comment to hear in an English class at UCLA. To illustrate the point, he said, «If you look at this da Vinci or this Raphael, you can go from the eyes to the woman’s navel and there is a perfect triangle. But now we have artists who paint a triangle and they call that art.» So I stuck my hand up, which I didn’t do very often, and said, «Maybe sometimes you just want to look at a triangle.» But that sticks out in my memory as something that got me thinking about aesthetics. And to answer your third question: yes but no.

Meerschweinchenreport:
Let’s talk about Leo Castelli and Susan Sontag. While Mr. Castelli was dealing with Gabriele and Alexander Baier about an article in «Magazin KUNST», Susan Sontag grabbed the chance to introduce our staff-photographer with the real essence of life: «Sleep, sleep, sleep!». At that time he was a baby and enjoyed it very much being instructed quite gently this way. Is there anything Leo Castelli taught you in particular, so you feel that you learned from him?

Larry Gagosian:
That’s another very good question. I can’t answer it simply, but he showed me how a gallery could really make the art feel important. Of course, it helps to have work by artists like Roy Lichtenstein, Ed Ruscha, and Jasper Johns. But the way you present the work has a lot to do with how people receive and regard it. Leo always had great style in the way he presented the work—and without making it too fussy. Leo also showed me that you could have a lot of fun being a dealer. He liked to have a good time. But the fact that you could have a business as serious as Leo Castelli’s and still have a wonderful life—that was a life lesson as well as a business lesson. The other thing he taught me was not to give too many interviews. In the later years of Leo’s life, we were partners. We had a gallery together, we shared artists, and we had a fairly formalized business relationship. But I’d call him up because I wanted to talk about a painting or a show or a deal, and I’d be told, «Mr. Castelli is being interviewed.» [Larry Gagosian laughs]

Meerschweinchenreport:
Sounds like a «Wink mit dem Zaunpfahl» – as we say in Germany. Mr. Gagosian, thank you very much for this highly experimental interview.

Larry Gagosian:
You’re mostly welcome.

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Interviews that helped us very much to be spiritually experimental: Interview Magazine, Bidoun Magazine, WSJ. Magazine and The Guardian.
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ZKM: «Markus Lüpertz – Kunst, die im Wege steht.»

4 May

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Am besten wir zitieren ohne viel Umschweif gleich Peter Weibel: «Lüpertz greift in seiner Malerei auf radikale Elemente aus der Gründungsphase der Moderne zurück. Er ist also kein Postmoderner. Seine Kritik der Moderne erfolgt aus der Moderne selbst heraus. Seine Wiedereinführung der Figuration und eines erweiterten Repräsentationsprogramms geschah nicht im Zeichen der Postmoderne, das heißt im Zeichen des Zitats, des Pastiches und der Aneignung, des Dekorativen und des Neoismus. Es handelt sich weder um Neoexpressionismus noch um Neofauvismus, sondern um moderne Malerei, die einen Ausweg aus den Antinomien der Moderne sucht.»

Nachdem dieser Punkt nun abschließend geklärt wäre, fragen wir uns, ob der Satz «Seine Kritik der reinen Vernunft erfolgt aus der reinen Vernunft selbst heraus» im hergestellten Bezug zu Markus Lüpertz ebenso seine Gültigkeit hätte, oder möglicherweise mehr das Produkt einer spielerischen Phantasie wäre, die weniger wissen und im Gegenzug dafür mehr spekulieren möchte. Wird es uns gelingen, mit solch seltsamen Gedankenspielchen um die notwendige Wissenserweiterung herumzukommen? Natürlich nicht: «Die im ZKM präsentierte Schau schlägt einen Bogen zu den Anfängen von Lüpertz’ künstlerischer Laufbahn: ‹Kunst, die im Wege steht› hieß 1966 eine seiner ersten Präsentationen, die in Berlin stattfand. Das ZKM zeigt einen Blick auf das Lebenswerk aus fünf Jahrzehnten eines der bedeutendsten deutschen Künstler der Nachkriegsgeneration. Lüpertz hat sich von Dekade zu Dekade geistig und faktisch immer wieder neu aufgestellt, sprich: weiterentwickelt. Mit seinem unverkennbaren Pinselstrich und der Vehemenz seiner Maltechnik ist Lüpertz längst eine Instanz der Kunstgeschichte.»

Yes, Sir! Und ein ordentlicher Öffentlichkeitsschreck dazu: Salzburg konnte sich mit seiner weißgepuderten Mozart-Bronze bedauerlicherweise nicht anfreunden, weshalb sich das dieser harmonischen Stadtansicht zugehörig fühlende, gesunde Volksempfinden kurzerhand dazu entschloß, «diesen dicken Oberschenkel» (und nicht nur diesen) hinreichend zu teeren und zu federn. Im Vergleich dazu reagierten die Augsburger eher gelassen – wenngleich mit Erfolg – gegen die Aufstellung seiner Aphrodite auf dem Ulrichsplatz mit unschlagbarer FDP-Rhetorik: «Stellen Sie sich vor, Sie müßten in Ihr schönes Wohnzimmer einen völlig unpassenden Tisch stellen.» Wie? Aphrodite als Tisch? Huiuiui, ist das nicht frauenfeindlich? Frau Schwarzer-Brüderle, auch wenn Sie auf Meerschweinchenreport nicht gut zu sprechen sind, könnten Sie sich in dieser Sache mal bitte nützlich machen? Und wenn Sie schon mal dabei sind: Wäre es Ihnen möglich, den Leutchen netterweise zu erklären, daß jeder verdickte maskuline Oberschenkel immer auch ein politischer, quatsch, potentieller männlicher Uterus ist?

Aber das ist es, was José Ortega y Gasset bereits 1931 in Der Aufstand der Massen formulierte: «Das ist es, was ich im Kapitel als Kennzeichen unserer Epoche hinstellte: Nicht, daß der gewöhnliche Mensch glaubt, er sei außergewöhnlich und nicht gewöhnlich, sondern, daß er das Recht auf Gewöhnlichkeit und die Gewöhnlichkeit als Recht proklamiert und durchsetzt.»

Markus Lüpertz detailliert

Eine der Vorgaben in der Ausschreibung zur Gestaltung der Coca-Cola-Flasche verlangte, daß sie auch an jeder einzelnen Glasscherbe zweifelsfrei als solche zu identifizieren sei. Am 18. August 1915 wurde ihr Design in den USA durch die Manufaktur «Root Glass Company» von Alexander Samuelson zum Patent angemeldet. Mit dem Erscheinungsbild von Markus Lüpertz verhält es sich ähnlich: Egal welches Detail man von ihm auch darstellen mag, immer ist er sofort zu erkennen. Das Licht bot sich zudem für ein Portrait im Stile Ralph Gibsons an. Die hier einzusehende Bildstrecke über Markus Lüpertz ist Teil des Bildfundus unseres Redaktionsfotografen Andreas Baier, das er für sein Langzeitportraitprojekt «Corporate Photography Means Executives Look Good» stetig anfüllt. Über sein Projekt hielt er übrigens letztes Jahr einen vielbeachteten Vortrag auf der internationalen Designkonferenz «QVED 2016» in München.

Weil es schon spät ist und wir, ebenso wie Oscar Wilde, «die Bequemlichkeit als eine der größten Errungenschaften der Menschheit» erachten, greifen wir abermals auf das Stilmittel des Zitierens zurück: «Der Fokus der von Walter Smerling und Peter Weibel kuratierten Ausstellung liegt auf Malerei, aber auch auf Skulpturen, Reliefs und Druckstöcken. Die Präsentation in Lichthof 8 umfaßt Werke wie ‹Angst im Walde›, ‹Gegen Abend besetzen Störche Lüpolis› und den 33-teiligen ‹Dädalus-Zyklus› aus der Sammlung von Sylvia und Ulrich Ströher. Für den Lichthof 9 schafft Lüpertz ein eigens konzipiertes Arrangement aus einer mehrteiligen, in Steinguß gefertigten Merkur-Skulptur sowie einer bislang noch nicht ausgestellten, 8 x 14 m großen Vorzeichnung, die für das 1977 ausgeführte Wandgemälde für das Krematorium Ruhleben in Berlin, entstand.»

Lüpertz internationales Renommee wird nicht zuletzt an seiner vergangenen Ausstellung im Musée d’Art Moderne in Paris deutlich. Auch The Phillips Collection in Washington, D.C. präsentiert ab Ende Mai 2017 eine groß angelegte Retrospektive des deutschen Malers.

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