Tag Archives: Buchbesprechung

Simone Hack: «Fisch gleich Siebenbach plus null»

14 Dec

Simone Hack: «Fisch gleich Siebenbach plus null»
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Was passiert, wenn sowohl Fräulein Fisch als auch Herr Siebenbach zeitgleich in den Deutschen Bundestag gewählt werden, läßt sich nicht genau sagen, weil dieses Szenario nicht Gegenstand des hier gegenständlichen Romans ist, obwohl sich die Autor(*)innen bzw. außen namens Simone Hack alle Mühe gibt, den Eindruck zu erwecken, als ob dem dennoch so sey. Sexy? Nein. Vielmehr geht es um verklausulierte Mathematik, um horrende Staatsschulden, um das kleine Einmaleins, um das große Glück im kleinen Schrebergarten von nebenan, um das große Ganze im ganz kleinen Kleinhirn: Fräulein Fisch steht für die Zahl «7». Herr Siebenbach steht für die Zahl «7». Allerdings ist es eine andere «7» mit einer anderen mathematischen und auch emotionalen Bezugsgröße, weshalb in Wirklichkeit «Fisch ungleich Siebenbach plus null» ist – was wiederum die Mathematiker und Astrophysiker, allen voran Prof. Dr. Harald Lesch, auf den Plan rufen, denn es bedeutet, daß die Erzählebenen in diesem Roman permanent hin und her springen, schwarze Löcher unermüdlich Energiefelder ein- und wieder ausatmen; und zwar so lange, bis den Leser(*)innen bzw. außen ganz schwindelig geworden ist, sie instinktiv ihre Autos stehen lassen, nur noch ungeschälte Salatgurken verspeisen, mit ihren Fahrrädern zielstrebig die Widerstände von Schaufenstern diverser Metzgereien dieser Welt durchbrechen, um zwischen frisch geschnittenen und zart grunzenden Wurstscheiben ihren inneren Frieden zu finden. Ausgerechnet in diesen Auslagen lernen sie und dadurch auch wir (irgendwie zwangsweise) das «richtige» Fräulein Fisch im bedauerlicherweise «falschen» Herrn Siebenbach kennen. Es kommt zu massiven Beziehungsproblemen und Kindern, die Torben, Janik oder einfach nur Erika heißen. Theodor W. Adorno, Albert W. Einstein, aber auch der bis heute im Exil naturbewußt lebende Kaiser W. II, sie alle hätten das soo bestimmt nicht gewollt. Ein Buch, das uns schonungslos die Augen öffnet – und zum Nachdenken anregt! Auch, weil sich schwarze Menschen ob der schwarzen Buchstaben auf weißem Untergrund – und zwar trotz der fröhlichen und hinreichend divers anmutenden Farbkleckse auf dem Buchumschlag – im Zuge der derzeit grassierenden folkloristischen Empörungswelle medienwirksam diskriminiert fühlen dürften. Prädikat: Ist doch alles blanker Irrsinn!

Keine Frage: Dieses Erstlingswerk der Autor(*)innen bzw. außen namens Simone Hack macht sie schon jetzt zu einer würdigen Anwärter(*)innen bzw. außen auf den Friedenspreis des deutschen Buchhandels 2021. Die Meerschweinchenreportredaktion gratuliert herzlichst – und wünscht auch weiterhin möglichst ungezwungenes Denken und Schreiben.

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Hamlet Hamster: «Die nette Dame mit dem Diamantenhut»

10 Dec

Hamlet Hamster: «Die nette Dame mit dem Diamantenhut»
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Plötzlich verschwimmen die Buchstaben und Mrs. Loomsday, «die nette Dame mit dem Diamantenhut», steht tatterig vor unserer in die Jahre gekommenen Haustür, bittet uns geistig verwirrt, jedoch höflich, um Einlaß. Warum sie bei dieser Gelegenheit einige Teekekse sowie einen blutverschmierten Kompaß in der Hand hält, erklärt sich uns erst im Laufe der ungewöhnlich dicht verstrickten Geschichte. Wir bitten sie hinein, servieren ihr einen Earl Grey und sagen vorausschauend für die nächsten vier Wochen alle außerhäuslichen Termine ab, denn ungefähr so lange wird es dauern, bis wir alles werden nachvollziehen können. Mrs. Loomsday nimmt Platz, räuspert sich – und legt los. Nach und nach mutieren wir vom passiven Leser und Zuhörer zum aktiven Handlungteilnehmer. Schon klingelt es auch bei uns ganz tatsächlich im Oberstübchen. Auch ist ein etwas ermattet klingender Dudelsack zu hören, der die französische Nationalhymne spielt. Hat das etwas zu bedeuten? Und falls ja, was? Der Autor Hamlet Hamster hat mit seinem aktuellen Werk in der Disziplin des interaktiven Kriminalromans mal wieder einen neuen Meilenstein gesetzt: Nicht nur Lektüre sondern auch das Verifizieren der diversen Hinweise auf den derzeitigen Verbleib des legendären Diamantenhutes (etwa im Grünen Gewölbe?) durch den ambitionierten Aktivleser, machen dieses Buch zum prickelnden Intensiverlebnis der Extraklasse. So müssen beispielsweise die Leser(*)innen bzw. außen dem Verlag Bescheinigungen über real absolvierte Tresorbesichtigungen von Schweizer Bankhäusern vorlegen, denn nur so kommen sie in den Genuß des restlichen Teils der gedruckten Buchseiten. Das hat es soo noch nicht gegeben. Prädikat: Nur die Harten kommen in den Garten.

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Claire Baudelaire: «Das leichte Band der losen Liebe»

8 Dec

Claire Baudelaire: «Das leichte Band der losen Liebe»
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Ich bin ein Gedicht:
Ich liebe das Licht!
Ich liebe die Blumen,
Die Berge, die Seen:
Ich bin ein Gedicht –
Das mußt Du versteh’n!

Ich bin ein Gedicht:
Ich liebe die Sicht!
Ich liebe das Fenster,
Die Mauer, die Wand:
Ich bin ein Gedicht
In Deiner Hand!

Ich bin ein Gedicht,
Denn Du bist mein Licht!
Ich liebe so vieles,
Doch Dich lieb’ ich mehr:
Ich bin ein Gedicht
Und liebe Dich soo sehr!

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Wie eine prächtige, mit zarter Poesie sorgfältig gestopfte Gänsestopfleber sollte sich der Inhalt des großartigen Gedichtbandes «Das leichte Band der losen Liebe» gleichsam in obligatorischer Begleitung eines ordentlich gereiften Burgunders auf seinen Weg von der geschmacksverwöhnten Zunge über den aufnahmewilligen Intellekt direkt in das Herz eines jeden frisch Verliebten machen, der ob des überaus berauschenden Anblicks seiner Angebeteten dazu verurteilt scheint, den Rest seines Lebens einsam schmachtend und in bedauernswerter Sprachlosigkeit verharrend, dahinsiechen zu müssen. Die einfühlsame Dialektik Claire Beaudelaires ist Lebensfreude, Nahrung, Ausweg und Medizin zugleich. Die Autorin sah sich in der Tradition eines Cyrano de Bergerac, dessen Verständnis für reduzierte Spracharchitektur von keinem geringeren als Walter Gropius höchstpersönlich hätte definiert sein können. Die zweite Stophe ihres vorstehend wiedergegebenen Gedichtes «Ich bin ein Gedicht» mag hierfür ein eindrucksvolles Beispiel sein. Aus ihrer Zeit auf dem Mond gingen u.a. Texte zu Ludwig van Beethovens Kompositionen «Für Elise» und – natürlich – «Mondscheinsonate» hervor. In der Registratur Friedrich des Großen beschäftigte sie sich intensiv mit den Erscheinungsbildern von Schriftzeichen jeglicher Art, «um noch besser im Schreiben zu werden», wie sie immer wieder betonte. Warum sie sich jedoch ausgerechnet im Hause des französischen Großküchenmeisters Georges Pablo-Auguste Escoffiers am Hofe Napoleon III im Alter von 92 Jahren urplötzlich überfraß und noch vor Ort ihren reich verzierten Silberlöffel abgab, ist bis heute leider ungeklärt – und unverzeihlich. Es lohnt sich «die Große, die in Vergessenheit Gebratene, pardon, Geratene», wie Andy Warhol sie einst beschrieb, wiederzuentdecken. Prädikat: Großes Sprachkino!

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Alexander Senfkorn: «Der Klimawandel im Wandel der Zeit»

4 Dec

Alexander Senfkorn: «Der Klimawandel im Wandel der Zeit»
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Es ist nicht zu bestreiten: Der Streit «Klimawandel ja oder nein» nimmt immer religiösere Züge an. Grund genug für den Autor Alexander Senfkorn, sich dieses Themas gänzlich ideologiebefreit anzunehmen – und auf unterschiedlichen Ebenen mit wissenschaftlicher Akribie auszuleuchten: Von der Klimageschichte unseres Planeten über unsere kollektive Wahrnehmung des «Klimawandels» in jüngster Zeit bis hin zu global-medialer Verunsicherung durch gezielte Meinungsmanipulationen auf beiden Seiten, werden alle Aspekte sorgfältig herausgearbeitet. So hat der Leser erstmals die Möglichkeit, sich ein gleichermaßen umfangreiches wie objektives Bild von der komplexen Sachlage zu machen. Auch die Umleitung der enormen Gewinne; weg von den traditionellen Stromanbietern hin zu zahlreichen «Gutmenschenkonsortien», die die rapide und unnötige Verteuerung der Strompreise zu verantworten haben, ist in diesem Buch ausführlich thematisiert. Prädikat: Lebensnotwendig und überzeugend!

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Clara Seidenfaden: «Vögeldichfrischparcours»

3 Dec

Clara Seidenfaden: «Vögeldichfrischparcours»
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«Vögeldichfrischparcours» ist superfrisch und superaufregend erzählt. Die Geschichte bewegt sich zwischen den Spannungsfeldern von Hektik und Nichtstun, von Nostalgie und Abenteuer, von Brennpunkt und Internet. Bezieht man nun den Umstand mit ein, daß der Titel des Buches aus genau 23 Buchstaben besteht, so ist es kein Wunder, daß sich der angehende Geistliche Roman, unser verzweifelter Protagonist, ruckzuck in einer Welt aus Intrigen, Geldwäsche, Drogenkonsum, Weltverschwörung und Gruppensex irgendwie wird zurechtfinden müssen. Außerdem besteht seine Großmutter darauf, von ihm jeden Mittag um Punkt 12 zum Arzt begleitet zu werden. Ist «ER» wirklich noch ganz «ER» bzw. «ICH»? Oder schon ein ganz anderer? Vielleicht ist er bereits ein Fahrkartenautomat, der nachts in Damenunterwäsche heimlich am Straßenverkehr teilnimmt? Wird er jemals wieder aus dieser «teuflichen» (Martin Schulz) Gendermühle herausfinden? Kleiner Fingerzeig: Letztlich kommt alles ganz anders als erwartet. Prädikat: Eindrucksvoll und fortpflanzungswürdig.

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Belinda Freifrau von Hodenhagen: «Das nutzlose Ich»

1 Dec

Belinda Freifrau von Hodenhagen: «Das nutzlose Ich»
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Es scheint paradox – und das ist es wohl auch: Je stärker die unerträgliche Ich-Bezogenheit des Einzelnen, die nicht zuletzt im global grassierenden Selfie-Wahn ihren Ausdruck findet, desto deprimierter fühlen sich viele der rastlosen Selbstdarsteller in Wirklichkeit. Für sie stellt sich die zwangsläufige Frage: «Wieviel Überflüssigkeit verträgt das eigene Ich, ohne sich dadurch selbst überflüssig zu machen?» Belinda Freifrau von Hodenhagen analysiert nüchtern und findet adäquate, lebensbejahende Antworten. Prädikat: Edutaining.

Bitte verwechseln Sie nicht die Sozialanalytikerin Belinda Freifrau von Hodenhagen mit der Schriftstellerin Belinda von Hodenhagen, deren letztes Werk «Der Nacken ist das neue Schnitzel» ebenfalls von uns besprochen wurde.

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Linda Lindt: «Süße Reimbeutelentzündungen»

29 Nov

Linda Lindt: «Süße Reimbeutelentzündungen»
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Sie kennen das bestimmt: Sie sitzen gemütlich in einem Café, haben gerade einen «Latte Macchiato» verinnerlicht, wollen gehen, müssen jedoch leider urplötzlich feststellen, daß Ihnen das nötige Kleingeld zum Bezahlen fehlt, lassen sich alternativ(*)los und geistesgegenwärtig einen Schreibblock nebst -gerät aushändigen, texten in Hochgeschwindigkeit ein Gedicht nach dem anderen zusammen, möchten damit nunmehr Ihren Obolus in Sachen Verzehr entrichten – und werden vom Gastwirt unerwartet brüsk zurückgewiesen. Man erlaubt Ihnen noch nicht einmal, sich mit der Reinigung des Geschirrs «freizuspülen». Auf der Polizeistation kommen Sie wieder zu sich und können sich an nichts erinnern. Für die Autorin Linda Lindt eine der klassischen Standardsituationen, die fernab von der Schokoladenseite des Lebens souverän gemeistert werden wollen. Ergebnis: Ein Bändchen mit kerzengerader Lyrik ohne Schnickschnack. Straight. Sachlich. Klar. Beispiel: «Auf, ab, hin, her, günstig, schnipp, schnapp, Machtsamkeit, 2,50 €.» Prädikat: Echt strassenkredibil.

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Dr. Eberhard Weisgemehl: «Die Geschichte der Zahnmedizin»

28 Nov

Dr. Eberhard Weisgemehl: «Die Geschichte der Zahnmedizin»
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Während das Kapitel «Steinzeit» innerhalb der Geschichte der Zahnmedizin vergleichsweise schnell erzählt ist – einfach dem Patienten einen Angriff auf das Nachbardorf verschreiben und hoffen, daß sich das Thema «effiziente Wurzelbehandlung» bei dieser Gelegenheit von selbst erledigt –, so gestaltet sich der Sachverhalt ab dem 18. Jahrhundert um einiges komplexer: Wir erhalten tiefe Einblicke in die Rachen diverser Könige, u.a.: Ramses I, Ramses II und Ramses III und Ramses IV. Bonustrack: Als Käufer eines der ersten eintausend Exemplare gibt es zusätzlich eine handsignierte Zahnbürste des Autors Dr. Eberhard Weisgemehl – womit dieses Buch bereits jetzt schon das Zeug zu einem echten ebay-Klassiker haben dürfte. Prädikat: Ein Leben mit Zahnseide ist möglich und sinnvoll.

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Leonhard Coldbrook: «Spoken into Gold»

27 Nov

Leonhard Coldbrook: «Spoken into Gold»
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Was wie eine leicht verklausulierte Anlageempfehlung unter Börsianern anmutet, war jedoch in Wahrheit jenes entscheidende Codewort der Alliierten im zweiten Weltkrieg, welches – für den Fall seiner physischen Habhaftwerdung – die umgehende körperliche Kastration Adolf Hitlers bestätigen sollte: «Gleaming eagle, this is gleaming eagle, spoken into gold accomplished, I repeat, spoken into gold accomplished, …, over». Nach dem Krieg mutierte der Begriff in nachrichtendienstlichen Kreisen zum geflügelten Wort und steht nun im erweiterten Sinne grundsätzlich für die Erarbeitung unkonventioneller Problemlösungen jeglicher Art, von deren Beschreibungen es im Buch des britischen Geheimdienstexperten Leonhard Coldbrook nur so wimmelt. Prädikat: James Bond 2.0!

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Hans Leithans: «Halbe Wege führen zu nichts»

25 Nov

Hans Leithans: «Halbe Wege führen zu nichts»
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Wie schon Julius Cäsar in «De Bello Gallico» einst sagte: «Wehe dem, der in der heutigen Zeit des erbarmungslosen Verdrängungswettbewerbs seine Ellenbogen nicht mit nützlichen Hochgeschwindigkeitsschonern zu schützen weiß», so widmet sich der versiert verständnisvolle Wirtschaftsexperte Hans Leithans in seinem neuen Werk «Halbe Wege führen zu nichts» der sorgfältigen Analyse und Bewertung unterschiedlicher Ansätze für ein erfolgreiches Risikomanagement in den Chefetagen der deutschen Industrie – ganz nach dem Motto: «Auf der Überholspur ist Vorfahrt ein Rückschritt». Ein nützlicher Ratgeber für jeden unternehmerischen Entscheidungsträger, der einerseits zur wohlverdienten Ruhe kommen möchte, ohne dabei andererseits auf die angenehmen Vorzüge des spirituellen Denkens sowie ganzheitlichen Handelns verzichten zu müssen. Prädikat: Kerniges Wohlfühlprogramm für jeden, in dessen Schädelwände sich eine anspruchsvolle Stahlfaust zu Hause fühlt.

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Belinda von Hodenhagen: «Der Nacken ist das neue Schnitzel»

21 May

Belinda von Hodenhagen:
«Der Nacken ist das neue Schnitzel»
erschienen im Kaspar Hauser Verlag
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Belinda von Hodenhagen, die kühle Analytikerin aus dem klaren Norden, legt nach fünf Jahren kreativer Schaffenspause mit ihrem aktuellen Roman «Der Nacken ist das neue Schnitzel» ein pseudo-fulminantes – und irgendwie auch autobiografisches – Erzählwerk aus dem Reich des kulinarischen Symbolismus vor, das irgendwo zwischen Gustave Flaubert (Madame Bovary), Bram Stoker (Dracula) und Virginia Woolf (Mrs. Dalloway) fest verortet sein möchte, jedoch niemals seine ideologische Verbundenheit mit Paul Bocuse leugnet.

Die Autorin, im Roman als Alice Campendonk unterwegs, geht als ehemalige Gouvernante von Papst Pius XII nach ihrer erfolgreichen Zeit im Vatikan und einer geglückten Geschlechtsumwandlung in die aktive Entwicklungshilfe nach Afrika und lernt dort sehr schnell alles über die multifunktionale Verwendungsfähigkeit menschlicher Körperteile: sowohl als nützliche Werkzeuge beim Straßenbau, in der Gartenpflege, als auch als unkonventionelles Genuß- und Nahrungsmittel. Die Autorin Belinda von Hodenhagen, sich selbst im wahren Leben gerne und oft als «feministische Kampflesbe» bezeichnend, nennt ihren gelebten Extremismus «religiöse Kreuzigungen innerhalb der eigenen vier Magenwände». Nein, Kompromisse und Gefangene macht die kopftechnisch zart Unterbelichtete keine, weshalb nicht etwa «The Yes Man», dafür aber das antisemitische «Zentrum für politische Schönheit» auf ihr geistig Unausgegorenes aufmerksam geworden ist.

In diesem Kontext irritiert der grobe Erzählstil, der gerne «fein» sein möchte, es aber mangels Sprachvermögen nicht schafft, was die menschlichen Abgründe unfreiwillig um so abstoßender darstellt. Nichts für schwache Nerven. Nur erhältlich in gut sortierten Frauenbuchläden. Obwohl im Kaspar-Hauser-Verlag erschienen: Keine Leseempfehlung!

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Rettet die Wale. Deshalb keine Kommentarmöglichkeit.
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Gregor Krisztian: «Wie visualisiere ich einen Bestseller?»

15 Jan

Gregor Krisztian signiert

Gregor Krisztian signiert

Man sagt, daß der Künstler vor nichts mehr Angst habe, als vor einer vollständig weißen Leinwand zu stehen – und nicht zu wissen, was er malen soll. So sei, so sagt man scherzhaft weiterführend, die Technik des Grundierens entstanden: «Egal was, Hauptsache, da ist schon mal was drauf!»

Steht man vor den gerahmten Exponaten, die die Studenten der Klasse von Prof. Gregor Krisztian anläßlich ihrer Semesterschau regelmäßig an der Hochschule RheinMain präsentieren, so kann man zunächst leicht den Eindruck gewinnen, als handele es sich hierbei um «Kinderkram». Die Scribbles (so nennt man skizzierte Ideenentwürfe in der Werbefachsprache) konkurrieren immerhin mit endproduzierten Plakaten, Büchern, Filmen und Websites. Nicht einfach, sich für ungeputztes Gemüse zu interessieren, wenn am selbigen Ort zur selben Zeit überall fertige Speisen in den unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen gereicht werden.

Diese nicht sonderlich durchreflektierte Grundeinstellung dürfte sich jedoch spätestens dann schlagartig ändern, wenn man das Glück (oder das Pech) hat, vor einem leeren Scribble-Bogen zu sitzen; und sich mit folgender Aufgabe konfrontiert sieht: «Entwickeln Sie ein Landschaftsbild in fünf verschiedenen Einstellungen, das einem prima dabei behilflich ist, ein ungemein schickes Automobil zu verkaufen.» Oder, um die Sache noch erheblich zu verschärfen: «Leute, wir haben ein neues Waschmittel am Markt zu plazieren. Wie Ihr alle wißt, ist das Zeug genauso gut oder genauso schlecht, wie jede andere bereits etablierte Waschsubstanz auch, aber dennoch müssen wir diesem neuen Pülverchen ein unverwechselbares Gesicht geben. Und nun viel Spaß!» Wer nach mehreren Wochen lediglich mit abgekauten Nägeln aber noch vor einem weißen Blatt sitzt und schwitzt, der hat zumindest schon mal eine Idee davon bekommen, wie genial Markenkreationen wie beispielsweise «Ariel. Nicht nur sauber sondern rein»; «Der weiße Riese. Seine Waschkraft macht ihn so ergiebig»; «Die Vizir-Ultra-Kugel bringt die Waschkraft direkt in das Herz Ihrer Wäsche»; oder: « Unser Bestes von Persil. Da weiß man, was man hat. Schönen guten Abend» sind. Alles ziemlich geniale Einfälle. Wobei die jeweilige Zeit, in der die jeweilige Marketingstrategie zum Tragen kam, zu berücksichtigen ist. Ich weiß nicht, ob sich ein Flüssigputzmittel mit dem Markennamen «Der General» heute noch am Markt einführen ließe. Damals, kurz nach dem Krieg, war das was ganz anderes. Der Gedanke, daß sich der überlebende Teil der Kriegsgeneration der Verlockung, sich für kleines Geld einen echten General als preußisch durchdeklinierte Putzhilfe ins Haus holen zu können, nicht hatte widerstehen können, klingt irgendwie nachvollziehbar. Und, da wir gerade beim Thema sind: Steckt in Ariel nicht assoziativ irgendwie auch das Wort, ähm räusper: Arier? So wie in VegetARIER auch? Glauben VegetARIER vielleicht nur deshalb, daß nur sie ganz allein ganz genau wissen, was für den Rest der Welt gut ist?

Doch bevor ich endgültig vom Thema abkomme und mich meiner Lieblingbeschäftigung Öko-Bashing vollends hingebe, will ich mich zügeln, besinnen und feststellen, daß mit dem Eintritt des zukünftigen Agenturjungkreativen in den Ideenfindungs- und Visualisierungskurs von Prof. Gregor Krisztian an der Hochschule RheinMain eine neue Zeitrechnung beginnt. Es beginnt die Zeit des Nachdenkens und Assoziierens, der eingehenden Gesellschaftsanalyse, des Vergleichens und Einordnens, des strategischen Denkens und Handelns. Nicht nur für Architekten gilt: Was auf dem Reißbrett nicht entworfen wurde, kann später auch nicht gebaut werden.

Im späteren Agenturbetrieb werden Kreative, die besonders gut Ideen visualisieren können, auch Storyboarder genannt. Richtig gute Storyboarder sind rar, begehrt – und werden gehätschelt und gepeppelt. Von ihnen hängt es nämlich ganz wesentlich ab, ob die Agentur in der Lage ist, ihren Kunden eine Idee zu verkaufen – oder eben nicht. Nachfolgend der Blick auf eine Doppelseite des Buchs «Ideen visualisieren – Entwerfen und Präsentieren wie ein Profi». Ist es ein Zufall, daß der Protagonist in dem Scribble für einen Automobilspot ein bißchen wie Daniel Craig (alias 007) aussieht? Und daß die Geschichte in London angesiedelt ist? Und daß man in die weibliche Figur hinter dem Schreibtisch M hineinassoziieren kann? Selbst wenn die Akteure später nicht wie Daniel Craig oder M aussehen, so erhöhen solche visuellen Kniffe die Chance erheblich, daß der Kunde das Grundsätzliche in der Idee erkennt – und abnickt.

Von seinem ersten Buch «DuMont Handbuch: Layoutschule» haben sich von 1984 – 1996 insgesamt 27.000 Exemplare verkauft. Gregor Krisztians zweites Buch, das er gemeinsam mit Nesrin Schlempp-Ülker verfaßte, «Ideen visualisieren – Entwerfen und Präsentieren wie ein Profi», aus dem Mainzer Verlag Hermann B. Schmidt, ist seit 1998 auf dem Markt und kann mit einer bisherigen Gesamtauflage von 35.000 Exemplaren glänzen. Hier ist in beiden Fällen jeweils von einem echten Bestseller zu sprechen. Oder auch von einem Standardwerk, um das man nicht herumkommt, will man die Visualisierung von Ideen in aller Ernsthaftigkeit betreiben.

Gregor Krisztian ist u.a. Mitglied im Deutschen Designer Club – DDC.

Bezugsquelle

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Sensibles Thema. Deshalb keine Kommentarmöglichkeit.
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