Sir John Hegarty’s President’s Lecture at the Berlin School. Needless to say: the house was crowded; filled with creatives who’s business performances take place on executive levels.
Alle Fotos von unserem Redaktionsfotografen Andreas Baier.
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Ein prüfender Blick auf den Monitor der Kamera beweist: Etwas mehr als zwei volle Stunden Hegarty-Genuß wurden in der Franklinstrasse 15 im Rahmen ihrer nun zum fünfundzwanzigsten Mal stattfindenden «President’s Lecture» von der Berlin School geboten.
Michael Conrad, der Präsident der Berlin School, eröffnet vor vollem Haus die mit Spannung erwartete Abendvorlesung. Das Bildungsprogramm der Berlin School richtet sich übrigens nicht an den kreativen Nachwuchs, sondern an gestandene Haudegen aus den Chefetagen, die über die zunehmende Komplexität des Kommunikationsgeschäftes auf dem Laufenden gehalten werden möchten.
Sir John Hegarty, Mitbegründer der legendären Londoner Werbeagentur BartleBogleHegarty (BBH), kommt gleich zu Beginn seines Vortrages zum Punkt – und präsentiert sein nagelneues Buch. Eigentlich hätte er es «Don’t read this book» nennen wollen, weil die Menschen am liebsten verbotene Dinge tun – und sich sein Buch mit diesem Kommunikationskniff besonders oft verkaufen würde. So richtig belegen konnte Sir John die Richtigkeit seiner These bedauerlicherweise nicht, denn sein Verleger habe ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht – und es lieber «HEGARTY ON ADVERTISING – TURNING INTELLIGENCE INTO MAGIC» genannt. Manchmal sind Verleger halt so. Hegarty: «Whatever you do, you are surrounded by clients. There is always a client you are supposed to deal with.» Auf der anderen Seite waren alle vorrätigen Exemplare nach Beendigung seiner Lesung umgehend ausverkauft. So, who wanna blame the publisher?
Außerdem hätte er sich mit seinem ursprünglichen Buchtitel «Don’t read this book» im Falle einer an ihn herangetragenen negativen Kritik in der luxuriösen Position befunden, diese mit dem Hinweis «Didn’t I tell you not to read my book?» entspannt abschmettern zu können. Diese Chance sei nun vertan.
«Aber besteht das Leben denn nicht aus vertanen Chancen?» fragt mich just im Geiste eine besorgte Mittvierzigerin aus der Spinatstrasse 37. «Tut mir leid, meine Dame, aber ich glaube, Sie haben sich möglicherweise signifikant verlaufen» entgegne ich ihr, was die Situation ebenso signifikant entschärft. Mit seinen vielen Arbeitsbeispielen aus seinem reichen kreativen Leben läßt der weltbekannte Werbeire nämlich keinen Zweifel daran, daß das Leben aus realisierten Chancen zu bestehen habe – und es dies auch tut. Eine gesunde Portion Hartnäckigkeit sei jedoch immer griffbereit in der Nähe zu halten. Es gilt das Prinzip «Never take a NO for an answer.»
Sir John Hegarty ist, diesen Titel teilt er souverän mit dem leider viel zu früh verstorbenen Paul Arden, der personifizierte Minderwertigkeitskomplex deutscher Werbetreibender. Vor diesem Hintergrund nur allzu verständlich, daß sich ein Seminarteilnehmer sogar seine Ohrmuscheln hatte vorher operativ vergrößern lassen (siehe Foto), um seinen Wissensdurst adäquat stillen zu können. Meerschweinchenreport meint: Vor-bild-lich!
Voilà, sämtliche im Raume anwesende Ohrmuscheln lauschen gespannt den Worten des schwarzen irischen Werbeschafes.
Da John Hegarty selbst nie als Texter gearbeitet hat, sondern ausschließlich als Art Director, ist er konsequent visuell eingestellt. Seine provokante These: «Text hemmt die Kommunikation». Das hier gezeigte Anzeigenmotiv belegt seine Überlegung eindrucksvoll. Es kommt nur mit dem Logo des Unternehmens aus. Es ist ein alter Streit zwischen den Kommunikationsgelehrten, ob größere Textmengen der Werbesache dienlich oder eher hinderlich sind. Werbe- und Texterikone David Ogilvy sah die Sache nämlich deutlich anders. Er scheute sich nicht, in Anzeigen akribisch jedes einzelne Wort zu zählen, auch die Absätze und Spalten, in denen er gesetzt war, um daraus klare Ableitungen und Regeln für einen wirksamen Werbetext zu generieren. Hier eines seiner legendären Anzeigenmotive. Und das, ähm räusper, ist eines unserer Anzeigenmotive (für WABCO), das Euer Hamster nach den Regeln Ogilvys kreierte.
Eine der Reaktionen auf vorstehendes Motiv war übrigens ein Schreiben der Firma Porsche, mit der Bitte, die Anzeige nicht mehr zu veröffentlichen, da sich das Unternehmen andernfalls gehalten sähe, Klage einzureichen. John Hegarty blieb entspannt und schrieb zurück, daß ihm eine Statistik vorläge, die besage, daß der Wagen, in dem ein Autofahrer am liebsten einen Unfall verursachen würde, ein Porsche 911 sei. Er schloß sein Schreiben an Porsche mit der Frage, ob es in Ordnung gehe, daß er diese Statistik veröffentliche. Er habe darauf von Porsche nie wieder etwas gehört.
Hegarty erzählte von einem anderen Klageandrohungsschreiben, mit dem es einst Groucho Marx zu tun bekam; und der Komiker einen ähnliche komischen Weg gefunden habe, seinen «Gegner» Warner Brothers ruhig zu stellen. Dieser Briefwechsel ist ebenfalls in John Hegartys Buch zu finden.
Selbstredenderweise besteht Hegartys Vortrag nicht nur aus der Projektion kreativ erfolgreicher Kampagnenbeispiele, sondern auch aus der Beschreibung wichtiger Entscheidungen, die er in seinem Leben getroffen habe. So standen ihm ziemlich zu Beginn seiner Kreativlaufbahn zwei verschiedene Jobs zur Auswahl: Entweder bei Y&R eine ziemlich gut dotierte Position als Art Director anzunehmen – oder für die Hälfte des Geldes als Junior AD bei Benton & Bowles anzufangen, wo ein ziemlich talentierter italienischer Texter sein kreativer Gegenpart sein sollte: Charles Saatchi. Er entschied sich für die Stelle als Junior AD und Charles Saatchi, der übrigens damals noch nicht DER Charles Saatchi war.
Ein weiterer seiner wichtiger Ratschläge: «If you do advertising, be sure that you do not live advertising! Otherwise your work becomes boring.»
Ein bißchen leichtverständliche Fotokunst zwischendurch? Der Kritiker vom Fach: «Mit seinen großformatigen Trinkerportraits macht der Künstler Mustapha Mandelbaum auf die Bedrohung seltener Tierarten aufmerksam, denen durch die zunehmende Klimaerwärmung die Trinkhallen an den wichtigen Knotenpunkten unseres Planeten ersatzlos wegsterben. Schön ist das nicht!» Nein, schön ist das wirklich nicht.
Werbemißverständnisse entstehen leicht durch ungenaue Typografie: hier hätte es eigentlich «W. Werber» heißen müssen. Eigentlich naheliegend.
Das im Anschluß angesetzte Fragestündchen zeugt von der Aufmerksamkeit, mit der das Publikum den Vortrag John Hegartys verfolgte. Michael Conrad mußte irgendwann die Notbremse ziehen, da Sir John andernfalls noch heute dort stehen und Fragen beantworten würde…
Wie entsteht eine gelungenes Pressefoto? So entsteht ein gelungenes Pressefoto.
Und nun zum Moment, auf den ich seit Hegartys «Don’t read this book!» -Erklärung gewartet habe: Ich erstehe noch das letzte in Cellophan verpackte Exemplar und bitte the master himself auf den Schutzumschlag «For Hamlet Hampster – DON’T READ THIS BOOK» zu schreiben. Ich versichere ihm: «I promise you that I will never ever read your book!». Und genau so werde ich es wohl auch halten. Wirklich? Naja, mal sehen…
Get together: in der Bildmitte der Designer Tassilo von Grolman.
Fazit: Eine erstklassige Veranstaltung der Berlin School auf internationalem Top-Niveau.
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Sensibles Thema. Deshalb keine Kommentarmöglichkeit.
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Tags: Advertising, Berlin School, Michael Conrad, Sir John Hegarty, Werbung
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