Kurz vor Konzertbeginn schaute einige Stockwerke
höher ein Adler vorbei. Es sollten mehrere werden.
Alle Fotos, soweit nicht anders gekennzeichnet, von
unserem Redaktionsfotografen Andreas Baier.
Bilder zum Vergrößern bitte anklicken.
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Allein schon der Bandname: The Eagles! Welch’ grandiose Erinnerungen vermag er in mir zu wecken, ja: auferstehen zu lassen! Gestern noch hüteten sie mit 39° Fieber und einem Angoraschal um den Hals gewickelt das Krankenbett, heute schon humpeln sie strammen Spalierschrittes über die Linoleumkorridore mit integrierter Heilkraft und brüllen unvergeßliche Songs wie beispielsweise «Stairway to heaven», «Smoke on the water» oder schlicht: «Highway to hell».
The Eagles zu mögen heißt aber auch, sich in hemmungsloser Leidenschaft für das Setzen von Ausrufezeichen stark zu machen, um sich nicht nur selbst an ihrem Anblick zu stärken; und auf das bevorstehende Konzert vorzubereiten: Die «Adler» haben sie gebraucht! Wir werden sie gemeinsam brauchen! Ich persönlich möchte sie gebraucht haben wollen! Und die Ausrufezeichen wollen gebraucht haben werden! Nebenbei erspart diese Vorgehensweise allen vorstehend Genannten mindestens einen einwöchigen Aufenthalt im Kurmittelhaus an der Nordseeküste. Und wer will das nicht?
Eine Woche? Nein, zwei Wochen. Oder drei. Oder gar vier. Denn es ist nicht der Name allein: Direkt auf dem Bowling Green vor dem Wiesbadener Kurhaus spielten sie, die The Eagles!, am letzten Sonntag! Live! Das war der 19. Juni 2011 – just to be perfectly precise!
Hier erholten sich die Römer von ihren Kampfeinsätzen; hier verspielte Dostojewski sein Geld; hier bzw. gleich nebenan sorgte Kaiser Wilhelm persönlich dafür, daß das die Opernbühne schmückende Schiff des Fliegenden Holländers in aller Tatsächlichkeit hochseetauglich war – und in dieser Stadt lebt Claus Theo Gärtner! Wiesbaden ist eine bekömmliche Stadt zum Leben; und kulturell abgesichert.
Und wer hat mal wieder im Vorfeld nichts vom sich ankündigenden Jahrhunderkonzert mitbekommen, weil er seinen sicheren Winterschlaf immer noch nicht richtig beendet hat? Richtig, Euer Hamster. Um wem gelang es dank eines in letzter Sekunde an die richtige Stelle adressierten «Gnadengesuchs» (trotz restlos ausverkaufter Vorstellung) dann doch noch mitsamt Redaktionsfotografen im Gepäck aufs sichtschutzgeschützte Konzertareal zu gelangen? Richtig, Euer Hamster.
Das alles sind triftige Gründe, einen ausgewählt ausführlichen, aber auch ausgesucht höflichen Artikel über dieses kulturelle Großereignis zu verfassen.
Und genau so soll es sein:
Vor Konzertbeginn auf der Wilhelmstrasse: Das Abschleppen von Autos ist die Fortsetzung der Augsburger Puppenkiste mit anderen Mitteln. Das Leben ist und bleibt ein großer Abenteuerspielplatz.
Hinter dieser Sichtschutzmauer steht das Wiesbadener Kurhaus. Und davor temporär die Bühne, auf der The Eagles in anderthalb Stunden spielen werden. Links fährt der in künstlerischen Gestaltungsfragen höchst sensible Abschleppwagen mit seiner Beute äußerst zaghaft ins Bild, dessen sorgfältige Komposition er mit seiner grobschlächtigen Erscheinung nur ungerne zerstören möchte. Rücksichtnahme ist eben die Mutter christlicher Nächstenliebe.
Das menschlich rege Treiben auf der «Rue»: Einige machen es sich sichtlich gemütlich, andere haben sich seit ewigen Zeiten nicht mehr gesehen, wiederum andere fragen sich möglicherweise, worum es hier gerade geht. Der eine oder andere sucht vielleicht sogar das Auto… Es geht doch nichts über das pluralistische Erscheinungsbild unserer Gesellschaft, n’est-ce pas?
Das Gelände füllt sich entspannt im Zeitlupentempo. Eine gute Gelegenheit, sich mal umzusehen: links vorne die Bühne, klar, rechts das Hessische Staatstheater. Auch klar. Ist das der neue A380? Keine Ahnung. Aber mal sehen, was der Herr Redaktionsfotograf mit seiner Zoomfunktion an wertvollen Zusatzinformationen beibringt:
Aha! Ein etwas in die Jahre gekommener und für meinen Geschmack einen Hauch zu léger gekleideter Fledermausmann mit guten Ortskenntnissen innerhalb des Gebäudes des Hessischen Staatstheaters ermöglicht es ihm, auf dem Dach des Schauspielhauses musikalischen Fortbildungsflugunterricht von den «Adlern» zu erhalten.
Der Logenplatz im Hotel Nassauer Hof: War das vorhin nicht Bernie Ecclestone auf dem Balkon? Klar. Und jetzt? Jetzt ist er weg. Ich glaube er ist in Begleitung von Harry Valérien nach unten gegangen, um nach seiner Brille zu forschen, die versehentlich seinen Händen entglitt. Gesehen habe ich beide danach jedenfalls nicht wieder. Schade.
Das legendäre Vier Jahreszeiten. Um die Bewohner dieses lupenreinen 50er-Jahre-Gebäudekomplexes rankten sich früher die irrsinnigsten Geschichten und Gerüchte. Also: Die Garbo und die Nitribitt, die hatten beide, also, wenn die beiden mit ihren Nesquickdosenschuhen auf der Autobahn … Hamster! Jaja, issjaschonguut…
Ha! Kaum, daß die Eagles ihr Publikum mit einem gleißenden Blitz begrüßt haben, stürzen sich zeitgleich vier attraktive Greifvögel der selben Produktgruppe vom Himmel direkt in die Konzertarena, um sich sodann sturen Hauptes sofort wieder in die Lüfte zu erheben – und dort im Gewölk (für immer?) zu verschwinden. Sa-gen-haft-es Timing!
Wie sieht ein solches Konzert eigentlich für diejenigen aus, die keine Karten mehr bekommen haben?
Zwei Tage zuvor spielte Peter Maffay – und der Herr Redaktionsfotograf kam zufällig des Weges. Ungefähr dieses Bild dürfte sich nun auch den Außenbereichsbesuchern des Konzertes der Eagles bieten, vorausgesetzt sie haben freien Blick durch den schmalen Eingangsbereich.
Auch hier präzise Zeitarbeit: Das hotel-Californ1a-Team betritt zum Stück in schicken Kürzeljacken das Gelände und verteilt hochwertig gedruckte Goodies. Es reift der Wunsch, das während dieser Tour entstehende Live-Album unbedingt kaufen zu wollen.
Und nun, da die Sonne vollständig verschwunden, greift die Bühnenshow in vollem Umfang. Was immer mit der LED-Rückwand möglich war, es wurde realisiert. Bis hin zu diesem wunderbaren «Fernseeschneebild», das die visuelle Grundlage für eine den entsprechenden Song begleitende Medienkritik bildete.
Ich könnte jetzt den Namen des freundlich dreinschauenden Gitarristen ermitteln, aber, so befürchte ich, dadurch würde möglicherweise der autentische Charakter meines Konzertberichtes in Mitleidenschaft gezogen werden. Und das möchte ich gerne vermeiden. Ich weiß nur, daß es nicht Don Henley ist.
Nach zweieinhalb Stunden verließ die Band die Bühne, um kurz darauf noch «a couple of songs» als Zugabe zu spielen. Don Henley setzte mit «Desperado» den Schlußpunkt:
***
Desperado, why don’t you come to your senses?
You’ve been out ridin’ fences for so long now.
Oh, you’re a hard one,
I know that you got your reasons.
These things that are pleasin’ you
Can hurt you somehow.
Don’t you draw the queen of diamonds, boy
She’ll beat you if she’s able.
You know the queen of hearts is always your best bet.
Now it seems to me, some fine things
Have been laid upon your table
But you only want the ones that you can’t get.
Desperado, oh, you ain’t gettin’ no younger,
Your pain and your hunger, they’re drivin’ you home.
And freedom, oh freedom well, that’s just some people
talkin’,
Your prison is walking through this world all alone.
Don’t your feet get cold in the winter time?
The sky won’t snow and the sun won’t shine,
It’s hard to tell the night time from the day.
You’re losin’ all your highs and lows
Ain’t it funny how the feeling goes away?
Desperado, why don’t you come to your senses?
Come down from your fences, open the gate
It may be rainin’, but there’s a rainbow above you
You better let somebody love you, before it’s too late!
***
Und nach einem kurzen Verbeugungsakt wird die Bühne umgehend von Roadies inklusive Mülleimer unter Beschlag genommen. Der Abbau konnte beginnen.
Das Parkhaus. Als wäre es eine Fotokunstarbeit von Andreas Gursky.
Aber was bringt einem die Musik der Eagles im Endeffekt? Selbstredenderweise war es ein großartiges Konzert. Keine Frage. Ich meine jedoch mehr dieses spezielle «Functional-Food-Ding». Also beispielsweise einen Joghurtdrink, der bei korrekter Einnahme zusätzlich die Ohren wärmt. Oder ein Hundefutter, daß nach Verzehr den geliebten Vierbeiner wie von Geisterhand dazu animiert, selbstlos den Hausputz zu übernehmen.
Die Frage muß also lauten: Was passiert mit mir, wenn ich die Musik der Eagles wahlweise bei Rotlicht-, Gelblicht-, Grünlicht- oder Blaulichtbestrahlung höre? Oder wenn mir dabei ein Backstein auf den großen Zeh fällt? Und was, wenn man nach einem Eagles-Konzert fünf Wochen lang nichts mehr ißt? Angeblich sind dadurch schon so einige Vollblutcholeriker deutlich ruhiger geworden. Das sagen zumindest die Ärzte.
Michael Eibes und Redaktionsfotograf Andreas Baier wollten es genau wissen – und machten die Probe aufs Exempel. Sie fotografierten sich gegenseitig jeweils mit aktiviertem Blitzgerät. Das erklärte Ziel: Nur durch Intuition gleichzeitig auszulösen. Keine Synchronisation der beiden Kameras mit irgend welchen technischen Hilfsmitteln. Verschlußzeit beider Fotogeräte war auf 1/30sec eingestellt. Klappt das Experiment, so hat jeder ein Foto des anderen angefertigt auf dem der leuchtende Blitzkopf an der Kamera zu sehen ist.
Foto: Michael Eibes
Ergebnis: Beide Tester benötigten gerade mal zwei Versuche, um das Ziel zu erreichen. Schlußfolgerung: Die Musik der Eagles wirkt auf das menschliche Gemüt überdurchschnittlich beruhigend aber auch bewußtseinserweiternd aus. Vor diesem Hintergrund haben beide nun beschlossen, sich einem fünfstündigen Eagles-Musik-Dauerkonsum auszusetzen – und anschließend den Lottoschein auszufüllen. Die Redaktion ist gespannt aber auch irgendwie optimistisch, daß sie zukünftig häufiger von den beiden zum Essen eingeladen wird.
Ein weiterer (Spontantest) unseres Redaktionsfotografen endete ebenfalls mit einem erfreulichen Ergebnis: sogar sein eigener Schatten – nur durch sogenannte «Vibes» mit dem menschlichen «Hauptkörper» verbunden – blitzte synchron zurück. Eine Sensation! Und gut für die Musik der Eagles. Das Konzert: ein toller und voller Erfolg auf der gesamten Linie!
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Sensibles Thema. Deshalb keine Kommentarmöglichkeit.
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Tags: art, Bowling Green, Concert, Fotografie, Kunst, Kurstadt Wiesbaden, Landeshauptstadt Wiesbaden, music, photography, The Eagles, Wiesbaden, Wiesbadener Kurhaus
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