Archive | October, 2016

Mars Attacks

29 Oct

Vorbildlich: Vollverzehrbares Marsianer Raumschiff
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Foto von unserem Redaktionsfotografen Andreas Baier

Als am 20. März 1996 in der Nähe des Londoner «Smithfield Market» ein Meteor einschlug, da machten sich die Fleischträger der Frühschicht spontan auf und sammelten dessen Überreste ein. Einige davon schienen sogar – siehe Bild – verzehrbar. Heute wissen wir jedoch, daß es sich bei den vermeintlichen Meteorteilen in Wirklichkeit um marsianische Raumschiffe handelte, deren Paasagiere pro Kopf und Nase nicht viel größer als eine Reißzwecke sind; und in ihrer Konsistenz stark an Hackfleisch erinnern. Die Außenhaut dieser intergalaktischen Fortbewegungsmittel besteht aus hochmodernem Tetrahypoxipanturalium, eine voll recyclebare und auch auf das menschliche Verdauungssystem geschickt abgestimmte Masse mit hervorragender Kau- und Knautschzoneneigenschaft, die in unseren Breitengraden zum Beispiel unter der Bezeichnung «Dunckel Dinckel DreizehnAcht» erhältlich ist. Diese Beschaffenheit ermöglicht den Marsbewohnern, Erdlinge von innen heraus zu erobern, um in der letzten Umwandlungsstufe vollständig die Gestalt und den Charakter des jeweiligen Erdbewohners anzunehmen. Experten schätzen, daß allein in der Bundesrepublik ca. acht bis neun Millionen Marsmenschen unerkannt unter uns leben. Darunter Landwirte, Sachbearbeiter, anerkannte Hochschulprofessoren sowie Abgeordnete des Deutschen Bundestages. In den Vereinigten Staaten möchte derzeit vermutlich einer von ihnen sogar der nächste US-Präsident werden.

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The Artist: «Constantly Known As Dieter Meier»

26 Oct

Dieter Meier spotting a pierced snail in his garden
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Foto von unserem Redaktionsfotografen Andreas Baier

Als wir Dieter Meier kürzlich in Zürich besuchten, um von ihm für unser neues SuperIllu-Lifestyleprodukt «Home Sweet Home But Maybe More – Meerschweinchenreport’s Best Extra» eine aussagekräftige Bildstrecke zu erstellen, die wir, so der Plan, zusammen mit einem frei erfundenen «Exklusiv-Interview» zu veröffentlichen gedachten, da nahm unser Redaktionsfotograf Andreas Baier kurz zuvor noch an einer Sonderweiterbildungsveranstaltung in den Gemächern Michael Conrads teil, wo unser Mann fürs grobe Korn, weil das Flaschenetikett «Hegarty» auf ihn eine allzu unwiderstehlich magische Anziehungskraft ausübte, entgegen seiner normalen Trink- bzw. Nichttrinkgewohnheiten eigentlich nur mal eben am heiligen und überaus schmackhaften Rotweingral nippte, so führte dies doch dazu, daß – wir zitieren ihn wörtlich – «ich ordentlich einen sitzen hatte». Sein dennoch sichtlich erleichtertes Fazit: «Wie gut, daß es Autofokus gibt, sonst wäre das alles nichts geworden.»

Der erste Punkt auf der Dieter-Meier-Bericht-Checkliste, nämlich «zwingend Selbstreferentielles», wäre damit den Zeitgeist in notwendiger Weise huldigend abgehakt. Punkt 2: Leute, kauft Euch unbedingt die nagelneue YELLO CD «TOY»:

Der dritte Punkt: Leute, seht Euch unbedingt in der Berliner Galerie Judin die Dieter-Meier-Ausstellung «Possible Beings 1973 – 2016» an. Sie ist noch bis zum 29. Oktober 2016 zu sehen. Hier eines der 48 unterschiedlichen Possible-Beings-Bildpaare:

From the series «Possible Beings 1972 – 2016»:
Dieter Meier – Tiger Winslow

Der vierte Punkt, bevor wir uns der neuen YELLO CD: TOY und der Ausstellung «Possible Beings 1972 – 2016» widmen, ist natürlich: the artist, constantly known as Dieter Meier, himself:

Dieter Meier, lesend auf seiner Couch
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Foto von unserem Redaktionsfotografen Andreas Baier

Dieter Meier ist ein brillanter Konzeptkünstler und Musiker; außerdem ein erfolgreicher Unternehmer. Wir zitieren aus dem Tagesspiegel: «Den Menschen macht aus, wie er sich zu seinen Zwängen verhält. Zwänge die durch die Geburt, die Zeit, das Talent, die Familie gegeben sind. Dieter Meiers Jugend zeichnete sich durch eine erstaunliche Abwesenheit von Zwängen aus. Sein Vater besaß eine Bank. Nichts drängte sich auf, schon gar keine finanzielle Notwendigkeit. Nicht einmal unerfüllte Träume der Eltern, die er an ihrer statt hätte ausführen dürfen. Beladen mit der Bürde der Freiheit stand er nun da. Wenn nichts muss, aber alles kann, was ist dann? Ist dann überhaupt irgendetwas?» Hm, gute Frage. Eine auf jeden Fall gültige Antwort wäre: «Das eigene Sein». Denn das eigene Sein bleibt immer – und zwar immer bis ganz zum Schluß. So einfach kann reduzierte Lebenskernbetrachtung sein. Unsere Meerschweinchenreportleser wissen, daß wir immer, wenn es droht, philosophisch zu werden, unsere beiden Hausgeisteslehrer Andy Warhol und/oder Woody Allen bemühen. Letzterer stellte in diesem Kontext beispielsweise fest, daß der einzige Unterschied zwischen Menschen mit Geld und welchen ohne Geld lediglich das Geld sei. Und er fügte hinzu: «Alle anderen Probleme sind identisch». Und weil dem so ist, sind die kreativen oder unternehmerischen oder sozialen Leistungen eines Menschen in ihrer Qualität grundsätzlich losgelöst von seiner jeweiligen pekuniären Situation zu betrachten.

Dieter Meier an seinem Klavier
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Foto von unserem Redaktionsfotografen Andreas Baier

Im Jahre 1969 saß Herr Meier fünf Tage lang auf dem kalten Pflaster des Zürcher Heimplatzes und sortierte 100.000 Nägel in diverse Säcke. Da war er Mitte zwanzig. «Nein, sagen Sie nicht Nägel, das hat schon zu viel Sinn», bittet Dieter Meier die Dame vom Tagesspiegel. Die Neue Zürcher Zeitung veröffentlichte damals das Foto eines langhaarigen jungen Mannes, der da saß und aß, sich quälte und Nägel nicht vermehrte, nicht verzehrte, aber edel zählte – was ihn ehrte. Er andere bekehrte? Doch zu was? Westlich betrachtet nennt sich das Ereignis vielleicht «sinnlos»; mehr fernöstlich ausgerichtet kann man in seiner Performance durchaus einen buddhistischen Ansatz erkennen: Du sollst Deine Mitmenschen nicht belehren, sondern irritieren.

Ein Jahr später legte Meier in Sachen Buddhismus-Unterricht ein gehöriges Schippchen nach: So unterbrach sein Kurzfilm «1 Minute» unkommentiert das öffentlich-rechtliche Schweizer Fernsehprogramm. Der Bildschirm blendete zunächst kurz auf schwarz, gefolgt von dem einminütigen Anblick des regungslosen Künstlerkopfs, der akustisch von Zeitzeichen kongenial unterfüttert wurde. Abermals ward es den Eidgenossen schwarz vor Augen. Schließlich und endlich hatte die Nation sowohl ihr normales Leben als auch ihr gewohnt-gewöhnliches TV-Programm zurück. Das Publikum soll hinreichend verstört reagiert haben. Und das, obwohl der Krieg zu diesem Zeitpunkt seit gut 25 Jahren vorbei war.

Auf den Geschmack der formvollendeten Irritation mit intellektuellem Zusatznährwert gekommen, kaufte Dieter Meier konsequenterweise am 25. Februar 1971 zwischen 16:00 und 18:00 auf der 57th Street, Ecke 8th Avenue (nur unweit des einen oder anderen New Yorker Museums) den Einwohnern der Stadt für einen US-Dollar jeweils ein «Yes» oder «No» ab – und quittierte den Erhalt der Wörter schriftlich. Die Polizei kam, sah und stellte fest: «That’s not for us, let’s get the special department». Für amerikanische Polizeibeamte ungewöhnlich scharf geschlußfolgert – die Sache hätte auch ganz anders ausgehen können.

Dieter Meier: Auf der Art|Basel bei Thomas Zander
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Foto von unserem Redaktionsfotografen Andreas Baier

Nur knapp der Zwangsjacke entkommen, erteilte Dieter Meier deshalb noch im selben Jahr den New Yorkern adäquaten Schießunterricht: Im Cultural Center stellte er sich mit einem gezückten Revolver an eine Mauer. Vor seinen Füßen stand auf einer Tafel: «This Man Will Not Shoot». (Meerschweinchenreport berichtete hier).

Dieter Meier Cover:
«This Man Will Not Shoot»

Als er nach wenigen Performances mit guten Aufmerksamkeitswerten nur ein weiteres Jahr später bereits zur Documenta gebeten wurde – spätestens hier wird Dieter Meiers übergeordneter Drang und Hang zu effizientem Denken und Handeln transparent –, ließ er am Kasseler Hauptbahnhof eine Metalltafel einbetonieren: «Am 23. März 1994 von 15.00 – 16.00 Uhr wird Dieter Meier auf dieser Platte stehen». Nein, Monsierur l’Artiste scheinen grundsätzlich keine Gefangenen zu machen: 22 Jahre später stand er tatsächlich dort. Hunderte Zuschauer und der Kasseler Oberbürgermeister waren zugegen. Einige der Angereisten haben sogar weite Strecken mit dem Flugzeug in Kauf genommen.

Zwischenfazit: In seiner Konzeptstärke als Performance-Künstler fallen uns nur noch zwei ein, die in derselben Liga unterwegs sind: Timm Ulrichs und Marina Abramović.

Dieter Meier: Reading while shooting light into the sky
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Foto von unserem Redaktionsfotografen Andreas Baier

Auch verfügt Dieter Meier wie viele herausragenden Geister über den großen Vorzug, früher in der Schule alles andere als begnadet gewesen zu sein. Einen langen Text zu lesen fühlte sich an, «als würde mir jemand Blei durchs Hirn ziehen, und es bleibt nichts hängen». Auch wenn dem nachfolgenden Gedanken in seiner Absurdität eine gewisse Grazie inne zu wohnen scheint, so sollte unmißverständlich geklärt sein, daß die vielen Opfer bleihaltiger Schußverletzungen in den Vereinigten Staaten keinesfalls das Ergebnis einer übermotivierten Bildungspolitik sind. Sicherlich nicht zuletzt auch deshalb: «This Man Will Not Shoot!» Die Dame vom Tagesspiegel schreibt: «Es war eine der wichtigsten Entdeckungen in seinem Leben, als er für die Prüfungen dann den gesamten Stoff mit einem Freund nachholte, indem sie drüber redeten: Im Dialog ging ihm die Welt auf: ‹Das hat mein ganzes Leben bestimmt, bis auf den heutigen Tag.›»

Als bildender Künstler drückt Meier hin und wieder mit seinen Fingern auch ganz gern in Kinderknetmasse willkürlich Formen und schaut, ob er darin etwas erkennt: es ist eine Art Bleigießen mit kautschukhaltigem Dehnmaterial. Er sieht sich nicht als Schöpfer, sondern als Entdecker. Für ein von ihm fotografiertes Knetfigurgesicht bezahlte Lady Gaga auf einer New Yorker Auktion ordentlich bemessene 20.000 Dollar.

Dieter Meier: At the table
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Foto von unserem Redaktionsfotografen Andreas Baier

Die Richtigkeit des Grundsatzes «Nur der schlechte Künstler unterhält sich mit dem Publikum, der gute mit sich selbst» bestätigend, überführt Dieter Meier seinen konzeptuellen Ansatz Anfang der 1970er-Jahre in fotografische Serien, in denen er scheinbar ausschließlich selbst zu sehen ist. Die Galerie Judin schreibt auf ihrer Website über Dieter Meiers Ausstellung: «1972 läutete ein Materialkonvolut zu dem erdachten Schriftsteller Thomas Mattes, von dem plötzlich Manuskripte, Briefe und Schnappschüsse auftauchten, Meiers bis heute andauernde Beschäftigung mit erfundenen und vorgefundenen Persönlichkeiten ein. Nicht selten weisen diese Charaktere autobiografische Züge auf. Diesem Thema ist auch Meiers umfangreichste fotografische Serie Personalities gewidmet, die in den Jahren 1973 und 1974 entstand. Mit variierender Kleidung, Gestik und Mimik verwandelte sich der Künstler in 48 unterschiedliche Persönlichkeiten. Das Ergebnis ist gespenstisch: wenngleich Meiers markante Gesichtszüge stets zu erkennen sind, löst die schiere Anzahl der Verkörperungen allmählich die Wahrnehmung des Künstlers als Individuum auf. Stattdessen treten seine Rollen in den Vordergrund. Diese sollten letztlich ein regelrechtes Eigenleben entwickeln und Meier zu zwei weiteren Werkgruppen anregen. Unter den Titeln ‹As Time Goes By› und ‹Possible Beings› wählte Meier in den Jahren 2005 und 2016 einige Personalities aus, die er jeweils mit einer neuen Porträtaufnahme und einer kurzen Biografie in die Gegenwart holte. Das Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft: in wenigen Jahren möchte sich der Künstler der restlichen Figuren annehmen und mit ihnen weitere mögliche Lebenswege ausloten.» Nachfolgend zwei weitere «Possible Beings 1972 – 2016»:

From the series «Possible Beings 1972 – 2016»:
Dieter Meier – Samuel «Samy» Schnyder

From the series «Possible Beings 1972 – 2016»:
Dieter Meier – Erwin «Radu» Stangel

Zur Ausstellung sind zwei mit viel Liebe und Sinn fürs Detail gestaltete und hochwertig gedruckte Kataloge entstanden. Der eine enthält die zugehörigen Lebensläufe (oder «Lebenskämpfe») der von Dieter Meier bzw. dem «Schriftsteller Thomas Mattes in seinem Projekt «Possible Beings 1972 – 2016» dargestellten Personen und Charaktere.

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Beim Surfen entdeckt: Die «Dallas Art Dealers Association» nennt sich in der Abkürzung: DADA. Schöne Gleichung: DADA = JR Ewing kauft Kunst.
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Dieter Meier: The Race Reloaded
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Foto von unserem Redaktionsfotografen Andreas Baier

Das erste Mal wurden wir auf die Musik von «Yello» aufmerksam, als wir in Wiesbaden Mitte der 1980er-Jahre an der illegalen «Cannonball-Schnitzel-Ralley» teilnahmen. Ein Jahr vor dem Abitur, den Führerschein gerade frisch in der Tasche, und schon wollten wir unbedingt nackt um die Wette über den Kranzplatz flitzen müssen, nachts pro Team einen Spintschlüssel aus dem Opelbad besorgen, einen halben Liter Faulbrunnenwasser (geschätzte 40°) auf Ex trinken sowie eine schriftliche polizeiliche Bestätigung darüber bekommen, daß ein Team-Mitglied für zehn Minuten in Haft saß. Was sich End-Teenager eben so alles einfallen lassen, wenn es darum geht, das bereits heftig an die Tür klopfende «spätere Leben» erfolgreich aus den Schädelwänden zu verdrängen – oder, je nach Betrachtungsweise – sich adäquat darauf vorzubereiten. Für die Nummer mit dem Opelbad-Schlüssel sollte es in der Nachbereitung vor Gericht für einige Teams jede Menge abzuleistende Sozialstunden hageln. In der ersten Nacht bezogen wir Quartier auf einem ruhigen Campingplatz am Hertersee. Auf dem Plattenteller im Kofferraum eines Teilnehmers drehte sich das Yello-Stück «Bostich», scheinbar in der Endlosschleife, das 1980 auf dem Album «Solid Pleasure» erschien. Durch zwei riesige Boxen wurde eine Nachricht über den Umweg durch unsere Ohren in den schwarzen Nachthimmel gedrückt, die uns eine rhythmisch pulsierende Mahnung war: «Standing at the machine every day for all my life//I’m used to do it and I need it//It’s the only thing I want//It’s just a rush, push, cash». Dieser Text, diese preßlufthammereske Sprachperformance, die rasende Geschwindigkeit der Beats pro Minute, die mehrmaligen Besuche von Polizeibeamten, mit der Bitte die Yello-Lebensmaschine in ihrer Lautstärke deutlich zu reduzieren – das alles wurde zu einer perfekten Mélange, unsere damalige geistige Welt reflektierend, unser zukünftiges reales Lebens – so wurde dieser Track für dieses Wochenende zu unsere Hymne. Dieter Meiers Kunst- und Lebensverständnis: Man muß nur der werden, der man ohnehin schon ist:

Dieter Meier und Boris Blank – Table Communications
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Foto: Helen Sobiralski/Universal Music

Es war auch die Zeit, da unser Redaktionsfotograf seine musikalische Grundversorgung ausschließlich über einen leicht leiernden Kassettenrekorder mit Radioempfang bezog, der im Fotolabor stand. Seine bis heute gültige Grundeinstellung: Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt. Und einen Fernseher hat er sich immer noch nicht zugelegt. Deshalb nahmen auch wir «Yello» zunächst für viele Jahre nicht mehr weiter wahr.

Das änderte sich jedoch, als wir einen Werbespot für das fiktive Bestattungsunternehmen «Mr. Sandman’s Finest Funerals» realisierten und in den Gemächern des Post-Produktionshauses «Das Werk» während einer Bearbeitungspause auf MTV attraktive badeanzugbekleidete Damen sahen, wie sie von Hochhausdächern in wesentlich tiefer liegende Swimmingpoolanlagen sprangen. Das war 1997 und das Album «Pocket Universe» gerade frisch erschienen. In dem darin enthaltenen Stück «Beyond Mirrors» setzt sich Dieter Meier u.a. mit Arthur C. Clarke, Werner Heisenberg und Solar Driftwood auseinander. Sowie mit «Ruppert Sheldrake in his book ‹Seven Experiments That Could Change the World› has stated that scientist’s attitude toward their experiments affect the results of their experiments». Der britische Wissenschaftler war uns bis dato mit seiner Arbeit «Das Gedächtnis der Natur» bereits bekannt. Darin wies er nach, daß einmal auf unserem Planeten Gedachtes der Allgemeinheit zur Verfügung steht, auch wenn es nie verbalisiert oder in Schriftform verbreitet wurde. Und wir: «Whow, was ist das denn? Etwa Popmusik?»

Dieter Meier: Get Together auf der Art|Basel
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Foto von unserem Redaktionsfotografen Andreas Baier

Zu etwa gleicher Zeit verfolgten wir im Hause der «abenteuerlichen Designagentur» im TV ein Interview mit Dieter Meier und einem «Musikexperten». Der Künstler reflektierte über das Leben, über Sein und Nichtsein, über das Universum, über solares Treibholz, schlicht: über die Magie lebensexistenzieller Dinge. Besagter «Musikexperte» schien mehr und mehr mit seinem Amt überfordert, wollte zum Schluß des Gesprächs aber noch etwas Nettes sagen, was er dann auch irgendwie tat: «Yes man, that’s Rock ‘n Roll». Wir bewunderten Dieter Meiers Reaktion: Er saß da und grinste und grinste und grinste … und weigerte sich, die Fassung zu verlieren. Dafür verloren wir unsere: Wir schlugen lachend mit unseren Köpfen solange gegen die Wand bis es weh tat.

Wir finden die neue Yello-CD «TOY» hervorragend, was aber keine große Kunst ist, denn Musikprodukte von Yello sind grundsätzlich herausragend zu nennen. Die Tracks haben aus unserer Sicht nur einen Nachteil: Sie sind zu kurz, verfügen über zu wenig Noten, Eure Majestät. Gerade gedenkt man, sich gemütlich auf dieser oder jener Melodie ein bequem schaukelndes Ruhelager einzurichten, da ist die Nummer auch schon beendet. Schnüff. Im Gegenzug der Vorteil: Es gibt sehr viele Stücke auf der CD. Ein untrügliches Indiz dafür, daß die beiden Gentlemen immer noch nicht so richtig wissen, wohin mit ihrer Kreativität.

Der Ausführung Dieter Meiers, daß das Tonstudio für Boris Blank ein Sauerstoffzelt sei, entnehmen wir, daß auch sein Partner kreative Selbstgespräche führt, was eine schlüssige Erklärung dafür ist, warum Yello seit nunmehr 35 Jahren konstant hohe und sehr abwechslungsreiche Alben zusammenschraubt. Wer eine ausführliche und sehr schöne und hinreichend euphorische Besprechung der aktuellen TOY-CD lesen will, der sollte sich diesen ausführlichen Artikel auf Lowbeats unbedingt zu Gemüte führen.

Dieter Meier mit Harald Falckenberg

Als Nachspeise möchten wir die Lektüre der Essays empfehlen, die Dieter Meier vor einigen Jahren in seiner Kolumne in der Kulturzeitschrift «DU» veröffentlichte. Einige der Themen: «Gott im Fleisch – Aus den Tiefen des Weltalls», «Matsch am Paddel», «Das Wunder des Gelingens», «Gott ist DADA» oder «The 100 Million Dollar Kid». Die zuletzt genannten Überlegungen beginnen so: «Wie jeden Monat sitze ich vom Satzzwang getrieben an der Schreibmaschine und hoffe, dass mir unter der Guillotine des Abgabetermins ein Thema einfällt, nach dem ich über ca. viertausend Anschläge mit Wörtern werfen kann. Oft half mir das Schwerpunktthema dieses Heftes aus der grossen Leere und der Einsamkeit im dicken Nebel, wo keine Themen zu erkennen sind und auch nix Gedanken auftauchen. So rief ich denn in der Hoffnung, mich wie der Lügenbaron Münchhausen an den eigenen Haaren aus dem Sumpf der Ideenlosigkeit herauszuziehen, die Redaktion an und erfuhr, dass dieses Heft dem teuersten Schweizer Künstler aller Zeiten, dem ‹sculpteur extraordinaire› Alberto Giacometti, gewidmet sei. Da mir seine hochgekneteten Gestalten und Hunde nie besonders gefielen und ich mich aber über den Bergeller Kettenraucher in Paris, der seine halbverhungerten Figuren als Epigone seiner selbst ein halbes Leben lang nach oben zwirbelte, auch nicht lustig machen und meinem Hirn die Frage zumuten wollte, warum mich der ‹Grosse Schreitende› No. 27 / B5 eiskalt liess, kam ich auf die Idee, mir zu überlegen, warum für einen Abguss des Genies aus Stampa eine amerikanische Bankierswitwe kalt-oder heissblütig, man weiss es nicht, die wunderbare Summe von hundert Millionen US-Dollar abdrückte.»

Herr Meier schließt diese Kolumne mit: «Da ich schon bald wieder mit der Herausforderung, um nicht zu sagen dem Malheur, ein Thema zu finden, konfrontiert sein werde, mich aber in Hassliebe ausgesprochen gerne zu beliebigen Inhalten als Satzschlosser betätige, bitte ich Sie, verehrte Leser, mir mit Vorschlägen auszuhelfen, die Sie der Redaktion von DU bis zum 15. April zusenden können, wenn sich Meier-mach-schon dann erneut im oben beschriebenen Notstand befindet, der, nachdem ihm Benedikt XVI abhanden gekommen ist, auf den er immer wieder ausweichen konnte, wenn ihm nichts einfiel, um so schwerer wiegt.»

Das ist feines Feuilleton. Und für den Fall, daß Monsieur Le Satzschlossère irgendwann doch tatsächlich wieder seine Kolumnentätigkeit aufnehmen möchte, so hätten wir direkt ein Thema zur Inspiration für ihn: «Der November ist der Mai des Julis – oder umgekehrt».

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Sustainability: «Urban Gardening»

19 Oct

Photograph by our staff-photographer Andreas Baier
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There is nothing more important than urban gardening these days. The colder it gets outside the warmer we have to make it inside ourselves. Here, we see a group of masters practicing urban gardening; producing even their own croissants only by the power of good will and imagination. It is fantastic to become a witness of how sustainability does its magic work in the brains of mankind. Without doubt: the grand transformation is under way.

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Olaf Leu, der «Ro 80» unter den Designern, wurde just 80 und veröffentlicht sein «R/80» bei «Spielbein Publishers»

18 Oct

Das neue Buch von Olaf Leu: «R/80»
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Sicher, wir hätten auch «Mr. Klartext spricht Klartext – bis in die Klappen» in die Überschriftenzeile setzen können. Oder: «‹R/80›, die intellektuelle Kraftnahrungspille für den anspruchsvollen Lebens- und Designinteressierten». Oder: «Wer bisher glaubte, die letzten zwanzig Jahre im falschen Film unterwegs gewesen zu sein, der erhält mit Olaf Leus ‹R/80› eine praktikable Anleitung zum Querumstieg bei voller Fahrt in den richtigen».

Einerseits. Andererseits fangen wir aber mit einem Zitat des ersten Satzes aus dem Prolog (Zwischen Müßiggang und Engagement) seines hier gegenständlichen neuen Buches «R/80» an: «Letztlich bin ich dann doch der Prophetie meines Kollegen Andreas Baier gefolgt, der schon nach Erscheinen meines Taschenbuchs i.R. orakelt hatte, dass es bei diesem ersten Band nicht bleiben würde. Und genauso ist es.» (Meerschweinchenreport berichtete hier). Tja Leute, schließlich geht doch dieser Tage nichts über eine ordentliche Portion Selbstreferenzielles, nicht wahr?

Nachdem nun auch das geklärt wäre, können wir mit unser eigentlichen Rezension beginnen. Wir zitieren abermals, diesmal aus dem Editorial, verfaßt vom Spielbein-Publisher Michael Eibes: «Warum sind Bücher wie dieses so wichtig? Es gilt Situationen, Zustände und vor allem Wissen zu dokumentieren. Denn Wiederholungen ohne Lerneffekt sind sinnlos.» Die fünf Hauptrubriken sind «Selbstverständnis», «Gestaltung mit Haltung», «Sein und Schein», «Geschichte und Geschichten» und «Prof. Dr. Klaus Klemp über den Autor Olaf Leu». Wer also geglaubt haben möge, daß es zum 80. von Olaf Leu lediglich angestaubte Lebensweisheiten zu lesen gäbe, der irrte gewaltig. Salopp gesagt: Das ist alles strenger Stoff. Sehr strenger Stoff, sogar. Als «kleine» Leseprobe sei in diesem Kontext «Eine Frage der Moral!? (S. 45 – 55)» empfohlen. Die dazu mehr als passende Illustration, der Textstartseite gegenüberliegend, bildet eine von ihm gestaltete Anzeige für Underberg mit der Hauptaussage: «Unser Underberg ist so gar nicht idyllisch». Eine Kernaussage, die Olaf Leu als Arbeitstitel für sein Buch gedient haben mag: «Hilfreiche Medizin muß bitter schmecken».

Olaf Leu im Züricher HarbourClub
Foto von Horst Moser

Als Material zum erweiterten Diskurs zitieren wir aus Horst Mosers Bericht über Olaf Leus jüngsten (und vermutlich wohl leider auch letzten) öffentlichen Auftritt vor dem Züricher «Harbour Club» – einer Vereinigung, der sich Vertreter der Schweizer Kommunikationselite zugehörig fühlen: «alle bekamen ihr fett ab: die unfähigen kommunikationsleute in den unternehmen, denen nichts anderes als ›pitch‹ einfällt und die kein ordentliches briefing zustandebringen. die inkompetenten agenturleute, die information nicht strukturieren können, von typo keine ahnung haben und dämliche bildsprachen beauftragen. und alle sind geil auf die inflationären awards, die oscar-falsifikate. all jenen wurde – um im biblischen jargon zu bleiben – die leviten gelesen.» Nun, wie wir bereits als Alternativüberschrift angeboten haben: «Mr. Klartext spricht Klartext – bis in die Klappen».

Aber das ist längst noch nicht alles. Wer wissen möchte, wie das kulturelle Verständnis vor der inoffziellen Kulturrevolution durch Social-Media und Smartphones ausgesehen hat, der mag sich den Leu-Text «Salon de Grolman – Die DDC-Keimzelle» zu Gemüte führen. Der Anfang als Auszug: «Naturgemäß verbinden sich mit dem Begriff Salon repräsentative Räumlichkeiten, in denen ein meist ebenso repräsentatives Ehepaar gesellschaftlichen Verpflichtungen nachgeht; darunter kann man die Zuwendung zur Literatur, Musik, Kunst oder Politik verstehen. Im Fall des Ehepaars von Grolman stand allerdings eindeutig das Design im Vordergrund. Repräsentativ war schon einmal die um die Jahrhunderwende errichtete Villa, in der man hier empfangen wurde: das Interieur aus geschmackvollen Einzel- oder Erbstücken aus dem Biedermeier, auch das eine oder andere diskret ausgehändigte Ahnenbild, die große Bibliothek, die schweren Ledersessel – all das atmete das Ambiente des selbstbewußten Citoyen, um in der französischen Begriffswelt zu bleiben. Tassilo von Grolman, stets gekleidet wie ein englischer Landedelmann, hielt hier mit Unterstützung seiner Frau Dagmar Hof.»

Die DDC-Keimzelle: Dagmar und Tassilo von Grolman in ihrem Salon.
Foto von unserem Redaktionsfotografen Andreas Baier

Somit ist Olaf Leus neues (und hoffentlich nicht letztes) Buch auch ein wichtiger Ratgeber für die Entscheidungsträger in der Industrie. Denn es geht weit mehr als nur um gelungene oder weniger gelungene Typografie: es geht um die Ermöglichung und Bewahrung von Lebensqualität als solches – es geht um «Lebensdesign»; und mit welcher inneren und äußeren Lebenshaltung man zu ihrem/seinem Gelingen beitragen kann – und mit welcher nicht.

Ein abschreckendes Beispiel für mißlungene Lösungsansätze ist der Alterungssimmulationsanzug. In dieses aufwendig geschneiderte Ungetüm werden junge Designmenschen gezwängt, damit sie erfahren können, was es heißt, alt zu sein, um sich dann in der Konsequenz – so die Theorie – in die Lage versetzt zu sehen, extra Geräte oder Lebensbereiche für alte Menschen und deren Bedürfnisse zu gestalten. Das ist, gelinde gesagt, vollstoff bescheuert. Der einzig adäquate Weg ist es, Gestalter mit der Erarbeitung von solchen Lösungen zu beauftragen, die bereits selbst der hier gegenständlichen Altersklasse angehören. Aber das passiert allein schon deshalb nicht, weil alles «hübsch jung und dynamisch» zu sein hat – sogar das Alter.

Olaf Leu im Züricher HarbourClub
Foto von Horst Moser

Wer also für sich, und/oder sein Unternehmen die Entstehung von Fehleinschätzungen und deren Produktionen verhindern oder nur ganz einfach zur Abwechslung mal wieder etwas Kultiviertes lesen möchte, der wird um die vollständige Lektüre von Olaf Leus «R/80» nicht herumkommen.

Das Buch wurde kongenial von Clemens Hilger gestaltet.

Die Feindaten:
Form: Paperback
Format: 14×19 cm,
Inhalt: 178 Seiten mit zahlreichen farbigen Abbildungen.
Preis: € 19,90

R/80 erscheint zur aktuellen Frankfurter Buchmesse bei Spielbein Publishers.
Bestellung online www.spielbeinpublishers.com
per E-Mail an hello@spielbeinpublishers.com
oder im Buchhandel ISBN 978-3-946718-00-0

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Neil Armstrong: «Chop With Boot Print»

16 Oct

Photo by our staff-photographer Andreas Baier
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No matter if we feed ourselves with or without meat; no matter if we eat bread or not; whatever we eat and no matter if it’s organic or not – we are all supposed to pay our food the amount of respect it deserves. However, we live in a time where day by day millions of tons of food will be thrown away all over the world. And this mainly for profit reasons only. We simply have to stop this: «That’s just one small step for each indivudual, but one giant leap for mankind».

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